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Der Meister

Der Meister

Titel: Der Meister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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konnte nicht lange mithalten. Nach wenigen Sekunden war sie allein. Sie lief und lief, unermüdlich angetrieben vom Adrenalin in ihren Adern. Jetzt hatte sie die Bäume fast erreicht und näherte sich der Stelle, wo sie die Gestalt zuletzt gesehen hatte. Doch keine fliehende Silhouette war zu sehen, kein zuckender Schatten vor dem Hintergrund der Dunkelheit. Sie verlangsamte ihren Schritt, blieb stehen. Ließ den Blick nach rechts und links schweifen, ohne auch nur die geringste Bewegung ausmachen zu können.
    Obwohl sie nicht mehr lief, jagte die Angst ihren Puls immer noch weiter in die Höhe. Bei dem Gedanken, dass er hier irgendwo in der Nähe war, überlief es sie eiskalt. Er beobachtete sie. Sie wollte die Taschenlampe nicht einschalten; damit würde sie sich nur verraten.
    Das Knacken eines Zweigs ließ sie nach links herumfahren. Die Bäume ragten wie ein undurchdringlicher schwarzer Vorhang vor ihr auf. Vom Tosen ihres eigenen Bluts, vom Rauschen der Luft in ihren Lungen fast übertönt, hörte sie das Rascheln von Laub und wieder das Knacken von Zweigen.
    Er kommt auf mich zu.
    Sie ließ sich in die Hocke sinken, die Waffe im Anschlag, die Nerven zum Zerreißen gespannt.
    Die Schritte hörten plötzlich auf.
    Sie schaltete die Stablampe ein und richtete den Strahl genau geradeaus. Und sah ihn, eine schwarz gekleidete Gestalt, zwischen den Bäumen stehen. Als das Licht ihn traf, wandte er sich ab und hob den Arm schützend vor die Augen.
    » Keine Bewegung! «,schrie sie. »Polizei!«
    Der Mann erstarrte zur Salzsäule, das Gesicht abgewandt, die Hand halb erhoben. Mit ruhiger Stimme sagte er: »Ich nehme jetzt die Brille ab.«
    »Nein, du Dreckschwein! Du wirst dich nicht rühren und schön bleiben, wo du bist.«
    »Und was dann, Detective Rizzoli? Sollen wir vielleicht unsere Dienstmarken austauschen? Uns gegenseitig nach Waffen abtasten?«
    Sie riss die Augen auf, als sie plötzlich die Stimme erkannte. Ganz langsam und bedächtig nahm Gabriel Dean die Brille ab und sah zu ihr hin. Geblendet vom Schein ihrer Lampe konnte er sie nicht sehen, doch sie konnte ihn umso besser sehen, und seine Miene drückte kühle Gelassenheit aus. Sie ließ den Lichtstrahl an seinem Körper hinabwandern und sah schwarze Kleidung, eine Waffe im Halfter an seiner Hüfte. Und in seiner Hand das Nachtsichtgerät, das er gerade abgenommen hatte. Sofort musste sie an Korsaks Worte denken: Unser Möchtegern-Bond.
    Dean kam einen Schritt auf sie zu.
    Instinktiv riss sie die Waffe hoch. »Bleiben Sie, wo Sie sind!«
    »Immer mit der Ruhe, Rizzoli. Kein Grund, mir das Gehirn wegzupusten.«
    »Wirklich nicht?«
    »Ich komme nur ein bisschen näher. Damit wir uns unterhalten können.«
    »Wir können uns ohne weiteres auf diese Entfernung unterhalten.«
    Er blickte in die Richtung des flackernden Blaulichts.
    »Was glauben Sie denn, wer den Funkspruch über den Mord hier auf dem Friedhof abgesetzt hat?«
    Sie hielt den Arm starr ausgestreckt, das Ziel fest im Visier.
    »Benutzen Sie Ihren Verstand, Detective. Davon haben Sie doch eine ganze Menge, nehme ich an.« Er machte noch einen Schritt.
    »Keine Bewegung, habe ich gesagt!«
    »Okay.« Er hob die Hände. Und sagte noch einmal, ohne jede Aufregung: »Okay.«
    »Was tun Sie hier?«
    »Dasselbe wie Sie. Hier spielt sich nun einmal alles ab.«
    »Woher wussten Sie davon? Wenn Sie es waren, der den Zehn-vierundfünfzig gemeldet hat, woher wussten Sie, dass Sie hier suchen mussten?«
    »Ich habe nicht gesucht.«
    »Sie sind einfach zufällig vorbeigekommen und haben ihn gefunden?«
    »Ich habe gehört, wie die Einsatzzentrale einen Wagen für den Fairview-Friedhof angefordert hat. Eine verdächtige Person war gesichtet worden.«
    »Und?«
    »Und da kam mir der Gedanke, dass das vielleicht unser Täter sein könnte.«
    »Ihnen kam der Gedanke? «
    »Ja.«
    »Sie müssen doch einen Grund gehabt haben.«
    »Reiner Instinkt.«
    »Erzählen Sie mir doch keine Märchen, Dean. Sie kreuzen hier auf, komplett ausgerüstet für einen Nachteinsatz, und ich soll Ihnen glauben, dass Sie nur mal eben vorbeigekommen sind, um sich einen verdächtigen Herumtreiber vorzuknöpfen?«
    »Auf meinen Instinkt ist Verlass.«
    »Dafür hätten Sie schon übersinnliche Fähigkeiten gebraucht.«
    »Wir vergeuden nur unsere Zeit, Detective. Entweder Sie nehmen mich jetzt fest, oder Sie arbeiten mit mir zusammen.«
    »Ich neige zu Ersterem.«
    Er betrachtete sie mit unbewegter Miene. Es gab zu viele Dinge, die er

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