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Der Meister

Der Meister

Titel: Der Meister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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müssen …«
    »Aber Sie haben nur an das Opfer gedacht. An Cordell.«
    »Ich wollte sie retten.«
    »Und das war Ihr Fehler.«
    Sie schlug die Augen auf und sah ihn wutentbrannt an.
    »Mein Fehler?«
    »Sie haben es versäumt, das Gelände zuvor zu sichern. Sie haben sich einem Angriff schutzlos ausgeliefert. Sie haben den elementarsten Fehler von allen begangen. Ziemlich überraschend für eine so fähige Polizistin.«
    »Sie waren nicht dabei. Sie wissen nicht, in welcher Situation ich mich befand.«
    »Ich habe Ihre Aussage gelesen.«
    »Cordell lag dort auf der Pritsche. Sie blutete …«
    »Und folglich reagierten Sie so, wie jeder normale Mensch reagiert hätte. Sie versuchten ihr zu helfen.«
    »Ja.«
    »Und brachten sich damit in die Bredouille. Sie hatten vergessen, wie eine Polizistin zu denken.«
    Ihr entrüsteter Blick schien ihn vollkommen kalt zu lassen. Er erwiderte ihn mit gänzlich unbewegter Miene. So beherrscht, so unerschütterlich in seiner Selbstsicherheit, dass es das Chaos ihrer eigenen Gefühle noch zu verschlimmern schien.
    »Ich vergesse niemals, wie eine Polizistin zu denken.«
    »Dort in dem Keller haben Sie es vergessen. Sie haben sich durch das Opfer ablenken lassen.«
    »Meine erste Sorge gilt immer dem Opfer.«
    »Auch wenn das beide Beteiligte in Gefahr bringt? Ist das logisch?«
    Logisch. Ja, das war Gabriel Dean. Sie hatte noch nie jemanden wie ihn kennen gelernt – einen Mann, der die Lebenden und die Toten gleichermaßen emotionslos betrachten konnte.
    »Ich konnte sie doch nicht sterben lassen«, sagte sie. »Das war mein erster – mein einziger – Gedanke.«
    »Kannten Sie sie? Cordell, meine ich?«
    »Ja.«
    »Waren Sie mit ihr befreundet?«
    »Nein.«
    Ihre Antwort kam so prompt, dass Dean fragend eine Augenbraue hochzog. Rizzoli holte tief Luft und fuhr fort: »Sie spielte eine Rolle bei den Ermittlungen gegen den Chirurgen, das war alles.«
    »Sie mochten sie nicht?«
    Rizzoli schwieg einen Moment. Deans unheimliche Hellsichtigkeit brachte sie aus der Fassung. Schließlich antwortete sie: »Sagen wir so: Ich konnte mich nicht recht für sie erwärmen.« Ich war eifersüchtig auf sie. Auf ihre Schönheit. Und ihre Wirkung auf Thomas Moore.
    »Aber Cordell war ein Opfer«, sagte Dean.
    »Ich war mir nicht sicher, was sie war. Anfangs jedenfalls nicht. Aber gegen Ende wurde es immer offensichtlicher, dass der Chirurg es auf sie abgesehen hatte.«
    »Sie müssen sich schuldig gefühlt haben. Wegen Ihrer Zweifel an Cordell.«
    Rizzoli erwiderte nichts.
    »War es Ihnen deswegen so enorm wichtig, sie zu retten?«
    Ihre Miene verhärtete sich. Die Frage empfand sie als Beleidigung. »Sie war in Gefahr. Mehr Gründe brauchte ich nicht.«
    »Sie sind ein unverhältnismäßiges Risiko eingegangen.«
    »Was stellen Sie sich denn unter einem verhältnismäßigen Risiko vor?«
    »Der Chirurg hat Ihnen eine Falle gestellt. Und Sie haben den Köder angenommen.«
    »Ja, ich geb’s ja zu. Es war ein Fehler …«
    »Von dem er wusste, dass Sie ihn begehen würden.«
    »Wie hätte er das denn wissen sollen?«
    »Er weiß eine ganze Menge über Sie. Da spielt wieder diese Bindung mit. Diese besondere Beziehung zwischen Ihnen.«
    Sie schoss in die Höhe. »Das ist blanker Unsinn«, sagte sie und stürmte aus dem Wohnzimmer.
    Er folgte ihr in die Küche, setzte ihr weiter unerbittlich zu mit seinen Theorien – Theorien, von denen sie absolut nichts wissen wollte. Die Vorstellung einer irgendwie gearteten emotionalen Bindung zwischen ihr und Hoyt war so abstoßend, dass sie keinen Gedanken daran verschwenden wollte. Sie konnte es einfach nicht länger ertragen. Aber da war er nun, drängte sich in ihre ohnehin schon zu kleine Küche und zwang sie, sich anzuhören, was er zu sagen hatte.
    »So wie Sie einen direkten Draht zu Warren Hoyts Psyche haben«, sagte Dean, »hat er auch einen zu Ihrer.«
    »Er kannte mich damals doch gar nicht.«
    »Können Sie das mit Sicherheit sagen? Er dürfte doch wohl die Ermittlungen verfolgt haben. Dann wusste er auch, dass Sie zum Team gehörten.«
    »Und das war auch schon alles, was er über mich wissen konnte.«
    »Ich denke, er begreift mehr, als Sie ihm zugestehen wollen. Die Angst der Frauen ist sein Lebenselixier. Das ist alles Teil seines psychologischen Profils. Er fühlt sich von verletzten Frauen angezogen. Von seelisch verwundeten Frauen. Es macht ihn an, wenn er den Schmerz einer Frau wittert, und er hat ein außerordentlich feines Gespür

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