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Der Meister

Der Meister

Titel: Der Meister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Furcht erregender Widersacher gewesen; an eine noch machtvollere Inkarnation von Warren Hoyt wollte sie lieber gar nicht erst denken.
    Dean ließ sich in seinen Sessel zurücksinken, die blauen Augen auf sein Tequilaglas gerichtet. Er hatte nur vorsichtig daran genippt, und nun stellte er das Glas auf dem Couchtisch ab. Sie hatte ihn immer als einen Mann betrachtet, der nie in seiner Disziplin nachließ, der gelernt hatte, alle spontanen Regungen unter Kontrolle zu halten. Aber auch von ihm forderte die Erschöpfung ihren Tribut; er ließ die Schultern hängen, und seine Augen waren gerötet. Jetzt rieb er sich das Gesicht. »Wie schaffen es zwei Monster, in einer Stadt von der Größe Bostons miteinander Verbindung aufzunehmen?«, sagte er. »Wie finden sie sich?«
    »Und das so schnell«, fügte sie hinzu. »Die Ghents wurden nur zwei Tage nach Warrens Flucht überfallen.«
    Dean hob den Kopf und sah sie an. »Sie haben sich schon vorher gekannt.«
    »Oder sie wussten zumindest voneinander.«
    Der Dominator hatte mit Sicherheit schon von Warren Hoyt gehört. Es wäre unmöglich gewesen, im vergangenen Herbst die Bostoner Zeitungen zu lesen und nichts von den Gräueltaten mitzubekommen, die er begangen hatte. Und selbst wenn sie sich nie begegnet waren, würde auch Hoyt wohl von dem unbekannten Täter gehört haben, wenn auch nur in den Nachrichten. Er hatte wahrscheinlich die Meldungen über den Doppelmord an den Yeagers verfolgt und erfahren, dass da draußen jemand seinem blutigen Handwerk nachging, der ihm sehr ähnlich war. Und er würde sich gefragt haben, wer dieser andere Jäger wohl sein mochte – dieser unbekannte Blutsbruder. Mord als Form der Kommunikation – die Nachrichtensendungen im Fernsehen und der Boston Globe hatten die Botschaften übermittelt.
    Er hat auch mich im Fernsehen gesehen. Hoyt weiß, dass ich am Tatort der Yeager-Morde war. Und jetzt versucht er, die Bekanntschaft mit mir aufzufrischen.
    Deans Berührung ließ sie zusammenzucken. Er war noch näher an sie herangerückt und musterte sie stirnrunzelnd. Sie hatte das Gefühl, dass noch nie ein Mann sie so intensiv angesehen hatte.
    Kein Mann – außer dem Chirurgen.
    »Es ist nicht der Dominator, der Spielchen mit mir spielt«, sagte sie. »Es ist Hoyt. Dieses Fiasko bei der Observierung – das sollte mich in die Knie zwingen. Nur so kann er sich einer Frau nähern: indem er sie zuerst in die Knie zwingt. Indem er sie einschüchtert, ihr auf jede mögliche Art und Weise zusetzt. Deshalb hat er sich auch seine Opfer unter Frauen gesucht, die vergewaltigt worden waren. Frauen, die bereits symbolisch vernichtet worden waren.
    Wir müssen schwach und verängstigt sein, damit er uns angreifen kann.«
    »Sie sind die letzte Frau, die ich als schwach bezeichnen würde.«
    Das Lob ließ sie erröten, weil sie wusste, wie unverdient es war. »Ich versuche nur zu erklären, wie er vorgeht«, sagte sie. »Wie er sich seinen Opfern nähert. Indem er sie vor dem eigentlichen Überfall wehrlos macht. So hat er es mit Catherine Cordell gemacht. Bevor er zu seiner letzten Attacke ansetzte, hat er sie mit Psychoterror überzogen, um ihr Angst einzujagen. Er hat ihr Botschaften zukommen lassen, um sie wissen zu lassen, dass er sich völlig frei in ihrer nächsten Umgebung bewegen konnte, ohne dass sie etwas ahnte. Wie ein Geist, der durch Wände gehen kann. Sie wusste nicht, wann er das nächste Mal auftauchen würde, aus welcher Richtung der Angriff kommen würde. Sie wusste nur, dass er kommen würde. Auf diese Weise zermürbt er einen. Indem er uns wissen lässt, dass er eines Tages – dann, wenn wir am allerwenigsten damit rechnen – kommen wird, um uns zu holen.«
    Während sie dieses Schreckensszenario ausgebreitet hatte, war ihre Stimme ganz ruhig geblieben. Unnatürlich ruhig. Und die ganze Zeit über hatte Dean sie mit stiller Intensität beobachtet, als ob er nach versteckten Anzeichen wahrer Gefühle, wahrer Schwäche suchte. Sie hatte ihn nichts dergleichen sehen lassen.
    »Jetzt hat er einen Partner«, sagte sie. »Jemanden, von dem er lernen kann. Dem er im Gegenzug etwas beibringen kann. Ein Gespann, das gemeinsam auf die Jagd geht.«
    »Sie glauben, die beiden werden zusammen bleiben?«
    »Warren dürfte daran gelegen sein. Ein Partner ist ihm sehr wichtig. Sie haben schon einmal zusammen getötet. Das ist ein starkes Band – besiegelt mit Blut.« Sie nahm einen letzten Schluck aus ihrem Glas, leerte es bis zur Neige. Würde der

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