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Der Meisterdieb

Der Meisterdieb

Titel: Der Meisterdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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Einzelheit zu erkennen und richtig zu deuten. Es war totenstill. Fast zu still, sagte sich der junge Meisterdieb und fühlte, wie sich in seinem Rücken die schmale Tür öffnete.
    Sofort schlüpfte er ins Haus. Hinter sich verschloss er die Tür dergestalt, dass sie nur von innen, da aber mit einem einzigen Ruck zu öffnen war.
    Auch innerhalb des Hauses war es dunkel, still und absolut ereignislos.
    Die sechs Jungen kamen von allen Seiten, von unten und von den obersten Stockwerken. Sie tasteten sich über Treppen, die sonst laut knarrten, jetzt aber kein Geräusch von sich gaben, sie kamen durch stockfinstere Korridore und warfen nicht einmal die Spucknäpfe um. Und schließlich erreichten sie fast gleichzeitig die Tore, Durchgänge und Türen, die in den rechteckigen Hof hinausführten.
    Arruf war aus zwei Gründen misstrauisch .
    Langsam zog er den langen Dolch aus dem löchrigen Stiefelschaft. Seine empfindliche Nase nahm den Geruch nach Feuer und Rauch wahr. Wo blieben die Wachen? Wagten sie tatsächlich, in irgendwelchen Winkeln zu schlafen?
    Eine einzelne Öllampe wurde angezündet. Funken wurden geschlagen, ein Junge blies auf den Schwamm, und dann züngelte eine winzige Flamme auf.
    Arruf stützte sich links und rechts gegen den Türrahmen. Vor ihm lag der Hof, und er sah in dem schwachen Licht die kleinen Krüge, die mit Stroh umwickelt und von Seilnetzen geschützt waren.
    Und plötzlich, als seine fünf Diebe aus fünf verschiedenen Richtungen auf die Beute zusprangen, tauchten an etwa einem Dutzend Stellen hell lodernde Fackeln auf, deren Flammen lange Funkengarben versprühten. Hinter den Fackeln erhoben sich große Gestalten, lederne Masken vor den Gesichtern, in mattes oder glänzendes Leder gekleidet. Ein Fangnetz schwirrte durch die Luft und traf einen der Jungen.
    Ein Entsetzensschrei gellte auf: »Eine Falle! Die Wilden Fänger.«
    Überall tauchten diese Gestalten auf, von denen man sagte, dass sie aus allen Schichten der Bevölkerung stammten. Schon jetzt hatten sie einen der Jungen gefangen. Zwei andere Diebe liefen im Zickzack über den Hof, sprangen durch die offenen Durchlässe und wurden dahinter von den stumpfen Spießen der Fänger niedergeschlagen. Es war tatsächlich eine Falle, dachte Arruf verzweifelt und wandte sich zur Flucht. Er raste eine Treppe hinauf, durch einen stockdunklen Korridor und eine andere Treppe wieder hinunter. Aus dem Dunkel heraus kam eine Hand, packte ihn an der Schulter, wirbelte ihn herum, und dann drückte ihn die stumpfe Spitze eines Speeres gegen die schimmelbedeckte Wand des Korridors.
    »Du bist Arruf?« drang eine düstere, dunkle Stimme hinter der Maske hervor.
    »Ja… ja«, stotterte Arruf angsterfüllt.
    Einer seiner Diebeskollegen rannte hinter einer Reihe von Säulen entlang. Drei Fänger mit lodernden Fackeln kesselten ihn ein, einer schleuderte ein Netz über den Körper des Jungen. Ein Schlag mit einem Speerschaft ließ den Jungen lautlos zusammenbrechen. Überall im Haus hallten Schreie, Flüche und Geräusche wider.
    »Wir haben euch aufgelauert«, sagte der Wilde Fänger. Auch er gehörte zu den völlig unbekannten Gestalten, die sich in den Nächten in Sarphand austobten. »Ihr seid verraten worden.«
    »Von Aagolf, nicht wahr?« murmelte Arruf niedergeschlagen. Auch er würde auf ein Schiff gebracht werden und musste in Logghard gegen die Horden der Dämonen kämpfen – das war das Schicksal, das die Eingefangenen unzweifelhaft erwartete.
    »Ja. Dir sagt der Name Shakar noch etwas?«
    Neue Hoffnung durchzuckte Arruf. Der Fänger warf schnelle Blicke nach rechts und links und lüftete dann blitzschnell seine Maske. Undeutlich sah Arruf sein Gesicht. Es erinnerte ihn flüchtig an einen Diener, den er vor undenkbar weit zurückliegender Zeit in Shakars Palast gesehen hatte, vor dem Mord an Chamor. Sofort senkte sich die durchlöcherte Ledermaske wieder über das Gesicht.
    Trotzdem hielt der Druck des Spießes Arruf unverrückbar an der Wand fest. Wieder gellte ein Entsetzensschrei durch das kalte Gemäuer des Hauses.
    Unter den Wilden Fängern, sagte sich Arruf, waren Menschenschinder und der Abschaum der umliegenden Länder. War er in die Hände eines Wahnsinnigen gefallen?
    Diesmal brauchte er Furcht und Angst nicht zu spielen. Er zitterte voll Entsetzen.
    »Ich übernahm dieses merkwürdige Amt nur, um dich eines Tages vielleicht zu finden, Arruf.«
    Gleichzeitig mit der Bewegung, mit der der Fänger den Spieß zur Seite wirbelte,

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