Der Meisterdieb
für die erwachsenen Diebe so schlimm, dass sie arbeitslos und arm wurden.«
»Ich kann mir vorstellen«, warf Mythor ein, »dass König Aagolf sich das nicht lange hat gefallen lassen.«
Luxon lachte schallend. »Du hast recht! Er war nach drei Monden rasend vor Wut. Zuerst versuchten sie uns zu fangen. Aber wir waren kleiner und schneller. Dann aber baute er eine gefährliche Falle für die sechs wichtigsten Anführer der Bande auf, also für mich und fünf meiner Freunde.«
»Welche Falle?«
»Heute weiß ich es genau«, sagte Luxon. »Er lockte uns in einen Hinterhalt. Dort sollten die Wilden Fänger uns ergreifen und auf ein Schiff bringen, eine Lichtfähre, die uns in den Süden entführen sollte. Der Plan war gut eingefädelt, aber er funktionierte nicht so, wie es sich Aagolf gewünscht hatte.«
»Sondern? Sprich!«
Luxon leerte seinen Humpen und deutete auf die Gasse. »Ich erzähle diese Geschichte auf der Terrasse meines Palasts. In Sarphand wird es für jeden, der die Stadt nicht so gut kennt wie ich, trotz bewaffneter Leibwächter in kurzer Zeit lebensgefährlich. Oder wollt ihr von den Wilden Fängern gejagt werden wie ich damals?«
»Keineswegs, Fürst der Diebeswelt«, antwortete Mythor und schaute in seinen Krug. Er trank das Bier aus und stand auf. »Hast du eigentlich jemals wieder etwas von Prinzessin Sheba-Nocciyah gehört?«
Wieder lachte Luxon. »Sie hätte auch noch mehr von ihrem Schmuck verschmerzen können. Ihr Prinz heiratete sie, nahm sie mit sich, und es kamen nur noch schlechte Nachrichten. Inzwischen ist sie allein, fett und kinderreich.«
»Ein unrühmliches Ende!«
»Nicht für mich«, meinte Luxon und winkte seinen Leibwächtern. Selbst in der Maske des älteren Mannes bewegte er sich richtig, mit zögernden Gesten und unsicherem Gang. Die kleine Gruppe brach auf, und geschützt von den Leibwächtern, kamen sie unbehelligt zurück in den Palast des Croesus.
*
Arruf legte einen Finger an die Lippen und blickte von einem seiner Bandenmitglieder zum anderen.
»Still«, flüsterte er. »Niemand darf uns sehen. Wir warten, bis das Mondlicht aus dem Hof verschwunden ist.«
Die anderen Jungen nickten. Sie waren in schwarze Kleidungsfetzen gehüllt. Auch ihre bloßen Arme und die Gesichter waren mit Ruß geschwärzt. Im Mondlicht funkelten die Augen, und die Zähne glänzten schwach.
»Wohin… nachher?«
»In den Schacht des Lastenaufzugs, dort, beim Turm!« befahl Arruf.
»Verstanden, Arruf.«
Sie standen unter einem vorspringenden Balkon. Einige dürre Büsche rankten sich an den Mauern hoch. Im Haus befanden sich heute nacht nur drei alte Wächter. Sie passten auf die Ware des Kaufmannes Hardigan auf, auf eine Ladung kostbarer Spezereien. Arruf hatte bereits einen Abnehmer für die Beute, und seine Bande hatte ebenfalls einen kleinen Vorschuss kassiert.
Die Jungen waren mit Tragenetzen ausgerüstet, mit biegsamen Schlüsseln, Seilen und Mauerankern. Aber noch mussten sie warten, bis es völlig dunkel war, denn die Ware stand im Hof des Hauses.
Andere Mitglieder der Jungenbande waren in weitem Umkreis verteilt. Sie kauerten ungesehen und regungslos in verschiedenen Verstecken. Auf geheime Zeichen hin würden sie eingreifen oder zufällig vorbeikommende andere Wachen ablenken. Langsam wanderte die helle Linie des Mondlichts über das schmutzige Pflaster. Schweigend warteten die Jungen und überlegten sich immer wieder die einzelnen Griffe, die aufeinanderfolgenden Aktionen und den Fluchtweg. Sie hatten tagelang jede Einzelheit des Hauses beobachtet und ausspioniert.
Schließlich wisperte Arruf: »Gebt acht! Die Wilden Fänger streifen durch die Stadt. Wenn wir über die Mauern klettern, können sie uns sehen. Nur dann.«
Die anderen nickten schweigende Zustimmung.
Einige Zeit später zischte Arruf: »Los!«
Die sechs Jungen sprangen geräuschlos auseinander. Zwei Seile rollten sich auf, als die Anker senkrecht durch die Luft wirbelten. Die umwickelten Enden hakten sich fast ohne Klirren hinter den Dachzinnen fest. Die Jungen kletterten schnell und gewandt an den Seilen hoch. Zwei andere huschten nach rechts und links und versuchten, die schweren Schlösser zu öffnen. Nur schwache, knirschende Geräusche bewiesen, dass hier jemand an der Arbeit war. Im Haus rührte sich nichts.
Arruf blieb stehen, drückte sich noch tiefer in den Schatten und sah sich um. Er verschmolz förmlich mit der Umgebung und versuchte, jede Bewegung und jeden Laut, jede noch so winzige
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