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Der Meisterdieb

Der Meisterdieb

Titel: Der Meisterdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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euch mein bisheriges Leben aus wie ein offenes Buch mit farbigen Bildern. Lest, falls ihr lesen könnt.«
    Der gutmütige Spott in seiner Stimme war nicht zu überhören.
    Luxon beugte sich vor und starrte in den weißen Schaum des Bieres, das seinen Becher füllte. Er erinnerte sich – diesmal ohne Publikum. Er wusste in erschreckender, weil ehrlicher Deutlichkeit, dass er in diesen Tagen und Monden und Jahren seine Fähigkeit, andere Menschen zu verzaubern, zu belügen, zu benutzen, gründlich gelernt hatte. Sicherlich: Die Fähigkeit war tief in ihm vergraben gewesen. In diesen harten Lehrjahren wurde sie ans Tageslicht gezerrt und voll bewusst ausgebaut und angewandt. Wenn er jetzt beabsichtigte, Mythor und die anderen zu betrügen, dann arbeitete er mit den Zinseszinsen des Kapitals, das damals angehäuft worden war, damals, als seine Schultern mager gewesen waren, als er hungerte und widerwillig lernte, als man ihn mehr prügelte als streichelte – in jenen fernen, harten Jahren, die unmittelbar (unter dem Eindruck seiner Erinnerungen!) wieder in die Gegenwart gezerrt worden waren.
    Nur aus diesem Grund entbehrte seine Stimme jeglicher Schärfe, als er sich anschickte, diesen Menschen die nächsten Stationen seines Lebens so ehrlich wie möglich vor Augen zu führen.
    *
    Drohend und massig lag der Palast des Sarpha am goldfarbenen, überhängenden Felsen der Hafenbucht.
    Noch innerhalb des Mauerbereichs standen die schweren Wurfmaschinen. Sie waren lange nicht mehr benutzt worden, denn Yahid der Siebzehnte war kein Mann des Krieges. Auch war Sarphand nicht angegriffen worden. An den Palast des Herrschers schlossen sich die prachtvollen Regierungsgebäude an, die Prunkschlösser der herrschenden Schicht Sarphands. Der Mondschein – die Sichel des Gestirns wurde von Nacht zu Nacht schmaler und schärfer – ließ die Umrisse der Gebäude scharf hervortreten. Lichter waren dort zu sehen; die Fackeln der Wachtposten und der helle Schein, der aus zahllosen erleuchteten Fenstern und Türen auf die Terrassen drang.
    Die Menge, die eben noch durch die Straßen, die Basare und die Torbögen geströmt war, tröpfelte spärlicher. Die Nacht wurde dunkler, in den Gassen erloschen mehr und mehr der winzigen Lichter.
    Die Stunde der Wilden Fänger rückte näher.
    Ein betrunkener Seemann taumelte, vom Gelächter der Gäste begleitet, zwischen den Tischen hindurch und fegte leere Bierkrüge von den Platten. Auf den Stufen von der Terrasse zur Gasse stolperte er und überschlug sich einigemal, ehe er wieder auf die Beine kam und fluchend seinen Weg zum Hafen suchte.
    Der Wirt kam an den Tisch, an dem Luxon und seine Gäste saßen. »Ihr Herren«, sagte er liebenswürdig, aber durchaus selbstbewusst, »seht nach dem Mond! In einer Stunde schließe ich den Strudel und die Lichtfähre. Wollt ihr noch einen Becher meines herrlichen Bieres?«
    Luxon warf ihm gutgelaunt eine kleine Goldmünze zu und rief: »Für jeden von uns einen großen Krug. Dein Bier macht angenehm müde, Herr Wirt. Und gib auch den Wächtern etwas davon.«
    »Wird geschehen, Herr!« Der Wirt ging an den schwelenden Kohlen des Herdfeuers vorbei, und seine Mädchen brachten kurz darauf das Bier. Sadagar gähnte ungeniert und warf einen Blick über die Terrassenbrüstung in die fast leere Gasse. Jetzt hatte sich der wenigen Menschen, die durch die Straßen gingen, eine bestimmte Hektik bemächtigt. Die Stunde der Wilden Fänger rückte wahrlich näher heran.
    Noch fürchtete Sadagar diese für ihn sagenhaften Gestalten nicht.
    Kalathee, die ebenso aufmerksam wie jeder andere die Erzählungen Luxon-Arrufs verfolgt hatte und sich redlich bemühte, Luxon noch besser zu verstehen, richtete eine Frage an ihn. Sie wurde immer sicherer, dass es tatsächlich Luxon sein würde, der irgendwann den Titel »Sohn des Kometen« tragen musste. Nicht Mythor.
    »Nachdem sie dich ausgestoßen haben, was geschah dann, Luxon?«
    Unverkennbar war in ihrem Gesicht, trotz der Schminke, der Ausdruck der Verliebtheit und der Hingabe.
    »Dann versammelte ich alle Jungen, die ich kannte. Es waren solche Jungen wie ich, aufgewachsen im Elend, schnell, ohne Erbarmen, geschickt, auf merkwürdige Weise klug, aber ungebildet. Wir bildeten eine Jugendbande. Wir stahlen alles, was erreichbar war. Wir waren, unter meiner Leitung, erfolgreicher als die Bande des Königs Aagolf. Uns erging es gut, wir verbargen uns in den unzähligen Höhlen, Spalten und Gelassen des Felsenmassivs, und es wurde

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