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Der Memory Code

Der Memory Code

Titel: Der Memory Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.J. Rose
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Doch nicht so zärtlich. Nicht so sanft. Gieriger war er, lüsterner. Im Hintergrund sah sie Farben, von denen sie abgelenkt wurde – nur, was hatten sie zu bedeuten? Sie konnte es nicht sagen. Sattgrüne Smaragde, das Blau des nächtlichen Himmels, ein tiefes Weinrot – alle so wunderschön, dass sie den Blick nicht abwenden konnte, nicht einmal des Mannes wegen, der ihr solche Wonnen bereitete.
    Was aber waren sie, diese Farben? Rachel versuchte, sich zu konzentrieren, es zu ergründen … und war mit einem Male zurück in der Gegenwart, bei Harrison, der sie gerade zu einem Höhepunkt führte, der ihren Körper durch und durch erschütterte.
    Sie ließ sich fallen, schwebte zurück zu den Farben und tauchte in ihnen unter.

48. KAPITEL
    E s war zwei Uhr morgens. Das Fenster stand offen, und die hereinwehende Brise wirkte wie eine sanfte Umarmung. Eine einsame Leuchte warf ihren Schein auf den Schreibtisch, doch ansonsten war das Zimmer in Dunkelheit gehüllt. Er war auf den Gedanken gekommen, sich von seiner Realität abzuschotten und für dieses Experiment eigens eine besondere gegenständliche Umgebung zu schaffen.
    Die sechs Steine ruhten auf einem tiefblauen, über die Schreibunterlage gebreiteten Samttuch. Die Smaragde, die Saphire und der Rubin schimmerten.
    Zwar stand geschrieben, dass diese Juwelen einen Zugang von der Gegenwart zur Vergangenheit erschließen könnten, doch was das eigentlich Magische anbetraf, drückten sich die altertümlichen Texte allesamt eher blumig aus. Er kam sich vor wie ein Schiffbrüchiger in einem Rettungsboot, das ihn zwar vor dem Ertrinken bewahrte, das er jedoch nicht zu steuern wusste.
    Jede religiöse Zeremonie hat ihre eigene Abfolge. So wie die Heilige Messe nicht bloß eine wahllose Anordnung von Gebeten und Handlungen ist, so galt auch für die Erschließung der Edelsteine eine Sequenz von Schritten. Ein Procedere. Anweisungen. Die Frage war nur: Wie lauteten sie?
    Die Unterlagen von Professor Chase hatten sich als unergiebig erwiesen. Das galt sowohl für die aus ihrer römischen Wohnung stammenden Akten als auch für jene, die man aus ihrem Dienstzimmer in New Haven geraubt hatte. Nichts ließ vermuten, dass Gabriella Chase auch nur im Entferntesten wusste, was die Zeichen auf der Oberfläche der Steine zu bedeuten hatten. Sie musste die Schriftzeichen für ihn übersetzen.
    Falls sie dazu in der Lage ist.
    Natürlich war sie das! Die Professorin war schließlich eine ausgewiesene Expertin für altertümliche Sprachen. Zumindest kannte sie sicherlich jemanden, der die Übersetzung bewerkstelligen würde. Gabriella Chase war der Schlüssel, mit dem man sich die Zauberkraft der Steine zunutze machen konnte. Eine furchterregende, gefährliche Macht.
    Wurde sie nicht von den obersten Kirchenführern gefürchtet, diese Macht? Und aus gutem Grund! Falls die Menschen erkannten, dass es nicht in Gottes, sondern in ihren eigenen Händen lag, ins Paradies einzugehen – welche Autorität hatte da die Kirche noch über ihre Schäfchen?
    Er hatte sich lange zurückgehalten, doch nun hatte das Warten allmählich ein Ende. Vom ersten Entwurf des Plans angefangen, damals, als er Gabriella Chase und ihrem italienischen Kollegen die Tagebuchauszüge zugespielt hatte, hatte er sich in Geduld geübt, und nunmehr waren aus den Schösslingen ausgewachsene Bäume geworden, die bald Früchte tragen sollten.
    Jetzt gab es eine Menge zu tun, das binnen kürzester Frist erledigt werden musste. Er seufzte – ein langer, aus tiefster Seele kommender Ausdruck von Sehnen, Bangen und Unbehagen. Dass er Unbeteiligte einbeziehen musste, widerstrebte ihm zutiefst. Leib und Leben unschuldiger Menschen aufs Spiel zu setzen, verstieß gegen seine ethischen Prinzipien. Aber ihm gingen die Alternativen aus.
    Drei Tote hatte es schon gegeben, und damit musste er für den Rest seiner Tage leben. Er hatte seine Seele mit Blut befleckt, und es konnte gut sein, dass bis zum erfolgreichen Abschluss dieses Unterfangens noch mehr Blut fließen würde. Sei’s drum. War es nicht so, dass alle großen Taten Opfer erforderten?
    Er hatte den Göttern eine letzte Chance eingeräumt, ihn zu belohnen, ehe er die unvermeidliche und abscheuliche nächste Stufe in Angriff nahm.
    Die sechs Juwelen in zwei Gruppen aufteilend, fasste er die Smaragde mit der Linken und mit der Rechten den Rubin sowie die beiden Saphire. Mit geschlossenen Augen richtete er sämtliche Sinne auf das Gefühl, wie sich die scharfkantigen Steine

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