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Der Memory Code

Der Memory Code

Titel: Der Memory Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.J. Rose
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ist im Grunde aber etwas Wundervolles.”
    So in etwa hätte auch Josh seine Anwesenheit an der Ausgrabung begründen können. Diese Erklärung hätte ihm allerdings in dieser Situation noch gefehlt.
    Abermals unterbrach Gabriella den Commissario und bat ihn, die Vernehmung außerhalb der Grabkammer fortzusetzen. “Hier handelt es sich um eine antike Stätte, an der wir gerade erst mit der Arbeit begonnen haben. Ich muss sie so bald wie möglich versiegeln.”
    Tatti versprach ihr, man werde so schnell und sorgsam vorgehen wie möglich und dann umgehend wieder abrücken, aber noch sei es nicht so weit. Er wandte sich wieder der Mumie zu und ließ seinen Blick geraume Zeit auf ihr verweilen. Für einige Augenblicke herrscht völlige Stille in der Grabkammer. Dann fragte der Commissario nochmals Gabriella, was der Räuber denn ihrer Ansicht nach entwendet habe.
    Jetzt platzte ihr endgültig der Kragen. “Das haben wir doch schon alles, oder?”
    “Mag sein, aber dass Sie und Professor Rudolfo zwar das Grab lokalisiert haben wollen, die Ausgrabung durchführten, den Inhalt dokumentierten und trotzdem nicht in die Schatulle guckten, das nehme ich Ihnen auch weiterhin nicht ab. Waren Sie denn nicht neugierig?”
    “Natürlich war ich das! Aber wir halten uns an bestimmte Vorgehensweisen. Für uns ist jeder Quadratzentimeter der Krypta ebenso aufregend wie der mögliche Inhalt der Schatulle. Allein die Tatsache, dass die hier lebendig eingemauerte Frau in nahezu unversehrtem Zustand gefunden wurde, war archäologisch und wissenschaftlich – in religiöser Hinsicht ebenso – von viel größerer Bedeutung als irgendwelche Kinkerlitzchen in dem Kästchen.”
    “Kinkerlitzchen?”
    Bei dieser Bemerkung geriet sie nun völlig in Rage und warf dem Beamten einiges auf Italienisch an den Kopf. Erstaunlicherweise schien er mit ihrer Argumentation durchaus einverstanden, denn er begleitete ihren Wutausbruch mit mehrmaligem Nicken. Als sie geendet hatte, kletterte er die Leiter wieder hoch, verharrte dann, halb noch in der Kammer, halb bereits draußen, und beorderte die Carabinieri herbei, die vorhin schon da gewesen waren.
    Gabriella wartete am Fuße der Leiter. Sie schaute zum Commissario hoch und hörte ihm zu. Äußerlich zornig, war sie ganz offensichtlich innerlich angespannt. Zweimal guckte sie auf die Armbanduhr und mehrmals hinüber zu Sabina, stets mit einem sonderbar fragenden Blick. Und wenngleich Josh die Professorin noch nicht sonderlich gut kannte, stand für ihn doch eines fest: Am liebsten wäre es ihr gewesen, die Mumie hätte sich ihr mitteilen und beschreiben können, was sie gesehen hatte, wer in die Grube gestiegen war, um diesen heiligen Ort zu entweihen.
    Während Tatti sich in den folgenden Minuten mit den beiden Uniformierten besprach, war Josh bemüht, nicht den Bezug zur Realität zu verlieren und nicht seinen Gedanken nachzugeben, die in eine ganz andere Richtung strebten. Er versuchte, an nichts zu denken, aber die Bilder brandeten dennoch heran, forderten seine Aufmerksamkeit, wollten nicht weichen. Die Kamera gezückt, richtete er das Objektiv auf Gabriella, die nach wie vor lauschte, wie der Commissario mit seinen Untergebenen redete. Durch den Sucher betrachtete Josh ihr Gesicht: ihre breite Stirn, ihre hohen Wangenknochen. Ihre intelligenten Augen.
    Sie erinnerte ihn an eine Skulptur im Museum of Modern Art in New York, einen von Constantin Brancusi geschaffenen Kopf, “Die schlafende Muse”: golden, frei, vergeistigt. Weit auseinanderstehende Mandelaugen, perfektes ovales Gesicht.
    Gabriella hätte dafür Modell stehen können.
    Ihre Miene als Anhaltspunkt benutzend, versuchte er zu ergründen, was der Inhalt des Gesprächs zwischen Tatti und den Carabinieri sein mochte. Einige Male sah es so aus, als wollte sie sich einmischen, aber sie hielt sich dann doch zurück. Ohne lange nachzudenken, machte Josh eine Aufnahme von ihr, wobei das Blitzlicht aufflammte. Sie schaute auf und spähte gereizt zu ihm herüber. Josh ließ die Kamera sinken.
    Kurz darauf stieg Tatti wieder von der Leiter. “Professor Chase, mir liegt genau wie Ihnen nichts daran, die Ausgrabungsstätte noch mehr zu beschädigen. Im Gegenteil, es ist meine vornehmste Aufgabe, Kultur- und Kunstschätze des italienischen Staates vor Schaden zu bewahren. Ich verstehe ein bisschen von Archäologie, und nach Natur und Lage dieser Grabkammer zu urteilen ist es nicht ausgeschlossen, dass es sich bei den Gebeinen um die einer

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