Der Memory Code
stehend, dabei verzweifelt bemüht, das Durcheinander in seinem Leben einigermaßen zu begreifen, hätte Josh nie und nimmer gedacht, dass er auf einmal eine überwältigende Sehnsucht nach weiblicher Haut spüren würde. Nach Sabinas Haut.
Rücklings gegen die Duschfliesen gelehnt, versuchte er mit geschlossenen Augen, sich gegen die Anwandlung zu stemmen, aber vergeblich. Sein Körper verweigerte dem Verstand den Gehorsam. Er wollte sie finden, wollte sie riechen und schmecken, wollte sich tief in ihr versenken. Wollte sie wiedererkennen, fliehen mit ihr zu jener Stätte, wo die Wollust jegliche Panik und Todesangst überdeckte. Es war ihm einerlei, dass ihre Vereinigung letzten Endes ins Verderben führte. Mit ihr zusammen zu sein lohnte den Tod. Es zählte allein, dass ihre Leiber sich berührten, dass sie einander abermals spürten und dabei vergessen durften, in welch ungerechter Welt sie lebten. Er war ihnen genug, der kurze, rauschhafte Augenblick der Ekstase in Zeiten trostloser Finsternis.
So stand er in der Duschkabine, den Rücken gegen die Wand gestützt, entflammt in seinen Liebesvisionen, lichterloh brennend, in lüsternen Flammen aufgehend. Wie immer war ihm, als sei er zum ersten Male mit ihr zusammen.
Ein Stöhnen brach ihm über die Lippen, ein einziges Wort: Sabina. Und während er ihren Namen rief, während ihm heiß das Blut durch die Adern raste, während ihm ihr seidiges Haar auf Gesicht und Brust fielen, während der Duft von Jasmin und Sandelholz den Dunst des Badezimmers durchdrang, da umfasste er ihre angewinkelten Schenkel, versenkte sich tiefer und tiefer. Für einen Augenblick glaubte er gar, es seien ihre Muskeln, die ihn vorwärts sogen, vor, vorwärts, immer nur vor, bis er vor Erlösung abermals laut ihren Namen rief.
Sabina.
Der Nachklang einer traurigen Weise, auf Harfensaiten gezupft. Ein lang anhaltender, klagender Ton, noch scheinbar endlos schwingend, bis er im Nichts verhallte.
33. KAPITEL
A ls er aus dem Badezimmer trat, klingte das Telefon schon wieder, und diesmal nahm er den Hörer ab. Am anderen Ende der Leitung war Malachai. Er begann mit einer Entschuldigung für den Fall, dass er Josh geweckt haben sollte, und bat ihn dann, sich in einer halben Stunde mit ihm im Speisesaal des Hotels zum Frühstück zu treffen.
“Wir müssen Pläne schmieden”, sagte er.
Genauso hatte es auch der Pontifex Maximus in Joshs Traum ausgedrückt.
Pläne.
“Josh? Bist du noch dran?”
Auf dem Tisch standen ein Korb mit frischen Brötchen, ferner winzige Glasschälchen mit in allen Farben leuchtenden Marmeladen und Konfitüren sowie ein Tellerchen mit kleinen runden Butterportionen. Josh achtete aber vorerst nicht auf das appetitlich angerichtete Frühstück, sondern berichtete Malachai, was sich in der Nacht zuvor abgespielt hatte: die nächtliche Hetzjagd, die tödlichen Schüsse auf den Grabräuber, die Flucht des Todesschützen, die so schwer fassbaren Erlebnisse aus dem alten Rom, die inzwischen mit seinem ständigen Albtraum verschmolzen waren.
Das Gesicht zu einer zornigen Miene verzogen, fragte Malachai ihn, ob alles mit ihm in Ordnung sei. Doch, doch. Ob er auch wirklich keinen Arzt aufsuchen wolle. Nein, wolle er nicht. Ob er die Polizei verständigt und den Überfall gemeldet habe. Jawohl, gleich nach der Rückkehr ins Eden. Ob er denn überhaupt geschlafen habe. Nein, nicht viel. Und dann gleich noch ein Dutzend weitere eingehende Erkundigungen bezüglich der nächtlichen Ereignisse.
Josh hielt nichts hinter dem Berg. Er erzählte auch, wie er in den Zeitensprung geraten war, wie er in der Person des Julius versucht hatte, ein Versteck zu finden. Nachdem er Malachais Fragen alle beantwortet hatte, stellte er seinerseits ebenfalls eine.
“Ich möchte gern Folgendes wissen: Wie verifiziert ihr beide, du und Beryl, die Fälle von Reinkarnation, die in der Stiftung untersucht werden?”
“Wieso interessiert dich das ausgerechnet jetzt?”
“Ich kann ja nicht dauernd darüber grübeln, ob Julius und Sabina existierten. Ich muss mich überzeugen.”
Malachai legte das Brötchen hin, das er gerade bestrich, und lehnte sich im Stuhl zurück. “Wir nutzen sämtliche uns zur Verfügung stehenden historischen Daten. Und falls es keine gibt, tun wir alles Menschenmögliche und sorgen dafür, dass das betreffende Kind angemessen betreut und nicht etwa von seinen Eltern ausgebeutet wird. Da zahlt es sich aus, dass wir beide von Hause aus studierte Psychologen
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