Der Memory Code
objektiven Beweis.”
“Das weiß ich. Du willst sozusagen ein Foto mit Aura. Du möchtest Engel auf einer Nadelspitze tanzen sehen.”
“Sei nicht so herablassend.”
Malachai biss in sein Marmeladenbrötchen und schlürfte seinen Kaffee. “So hab ich das nicht gemeint. Für mich ist das genauso frustrierend wie für dich. Ich dachte nur, mittlerweile hättest du so viel erlebt, dass du für Spitzfindigkeiten dieser Art nicht mehr empfänglich wärst.”
Ehe Josh darauf etwas erwidern konnte, näherte sich Commissario Tatti dem Frühstückstisch. Sowohl unerwartet als auch unangekündigt erschienen, griff er sich ohne viele Umstände einen Stuhl, setzte sich an den Tisch, winkte den Kellner herbei und ließ sich einen Espresso bringen.
“Was verschafft uns die Ehre?”, fragte Malachai in einem Ton, den Josh ihm gar nicht zugetraut hätte. “Und woher wussten Sie, wo wir stecken?”
“Na, dass Sie im Eden abgestiegen sind, das ist ja polizeilich bekannt. Ich habe es zuerst vergeblich auf Ihren Zimmern versucht, aber der Portier war so freundlich mir mitzuteilen, dass Sie gerade gemeinsam das Frühstück einnehmen. Logisch, ist ja noch früh am Tag.” Mit selbstzufriedener Miene griff er nach der Espressotasse, die der Kellner ihm soeben servierte, und nippte an dem heißen Gebräu. “Professor Rudolfo ist heute Morgen gestorben.”
Josh war wie vor den Kopf geschlagen. Er dachte an Gabriella. Ob sie es schon wusste? Am liebsten wäre er aufgesprungen, hinunter auf die Straße gerannt und mit einem Taxi zu ihr hingefahren. Rudolfos Tod war sicher ein schwerer Schlag für sie. Sie sollte jetzt nicht allein sein. Natürlich würde sie Josh die Schuld geben. Vielleicht hatte er das verdient. Eigentlich war es ja auch sein Fehler. Er war in dem vermaledeiten Stollen herumgekrochen, statt in der Grabkammer zu sein.
Malachai drückte sein Bedauern aus, das ziemlich ehrlich wirkte. Auf einmal machte er einen niedergeschlagenen Eindruck. Für die Phoenix Foundation war der Tod des Professors ein schwerer Rückschlag.
Josh fragte sich, wem von ihnen beiden schlimmer zumute war. Wer mochte verzweifelter nach einem Beweis dafür suchen, dass es Wiedergeburt tatsächlich gab? Die geraubten Steine standen für eine Hoffnung, und die war durch den Raub und nun auch durch den Tod des Professors zunichte gemacht. Sie waren wieder die Legende, diese Juwelen, die sie immer schon gewesen waren.
“Aber Sie haben sich doch gewiss nicht nur herbemüht, um uns das mitzuteilen, Commissario, oder?”, fragte Josh. “Also, was gibt’s?” Von der Polizei hatte er allmählich die Nase gestrichen voll.
Als er am Vorabend wieder im Hotel eingetroffen war, hatte er unverzüglich Tatti angerufen. Der hatte zwei Beamte geschickt, die recht passabel Englisch sprachen. Während die seine Aussage zu Protokoll nahmen, war bereits eine Streife der Carabinieri unterwegs zum Tatort gewesen.
“Mr. Ryder ist zu aufgewühlt, um die Regeln höflicher Konversation einzuhalten.” Offenbar meinte Malachai, er müsse sich vor Josh stellen. “Wie Sie sich unschwer denken können, steckt ihm der Überfall von gestern Nacht noch in den Knochen. Was hat man denn bisher sonst noch über den Erschossenen in Erfahrung bringen können? Außer, dass er derjenige war, der auf Rudolfo geschossen hat?”
Der Commissario nippte an seiner Tasse, zog dabei die Augen zusammen und beäugte Josh unter halb gesenkten Lidern. Diesmal kopierte er nicht Clouseau, sondern gab den knallharten, abgebrühten Cop vom Schlage eines Al Pacino. “Noch nichts Endgültiges. Nur eins steht fest: Wir ermitteln jetzt in einem dreifachen Mordfall, und was gewisse Hinweise angeht, tappen wir noch im Dunklen.”
“Das kann man wohl sagen”, brummte Malachai.
Josh hörte gar nicht mehr hin. Er war wieder unten in der Grabkammer, sah den Professor zu Boden sinken, roch das Kordit, fühlte das Blut feucht und klebrig an seinen Fingern. Dann sah er den Räuber, der auf Rudolfo geschossen hatte, im eigenen Blut zusammenbrechen.
“Mr. Ryder?”
Er blickte auf. “Ja?”
“Können Sie mir inzwischen sagen, was sonst noch in dem Grab geschah oder was daraus entwendet wurde?”
“Haben wir das nicht alles schon besprochen?”
“Sicher. Und jetzt tun wir das noch einmal. Würden Sie bitte wiederholen, wo Sie waren, was Sie sahen und was genau der Räuber mitnahm?”
Josh erneuerte seine vor zwei Tagen gemachte Aussage.
“Und die Perlen haben Sie nicht
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