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Der Memory Code

Der Memory Code

Titel: Der Memory Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.J. Rose
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Hoffnungsschimmer.
    Einige Zeit danach traten die beiden Priester über die Tempeltreppe ins Freie. Ohne Zwischenfall gelangten sie an den höchsten Punkt des Gräberfeldes, die große Bronzestatue des Kaisers Augustus, der in seinem schimmernden Bronzepanzer so aussah, als könnte er die Last der ganzen Welt auf den mächtigen Schultern tragen.
    Im Vorbeigehen wies Lucas auf das Standbild. “Ehe er die Herrschaft antrat, tobte in Rom ein hundert Jahre währender Bürgerkrieg. Vielleicht hast du recht mit deiner Ansicht, dass sich zu unseren Lebzeiten wieder einmal das Blatt wendet.”
    Jeder wusste, was man dem ersten römischen Kaiser zu verdanken hatte. Selbst jetzt, gut vierhundert Jahre später, zehrte Rom von den Früchten seiner Amtszeit: Währungssystem, Überlandstraßen, Postbeförderung, Brücken und Aquädukte sowie zahlreiche von ihm errichtete Bauwerke, die weiterhin Bestand hatten. Herausragende Schriftsteller wie Virgil, Horaz, Ovid und Livius, deren Werke noch immer gelesen wurden, hatten zu Zeiten der Herrschaft des Augustus gelebt.
    “Wäre er an der Macht, bräuchten wir uns nicht zu verstecken”, bemerkte Julius.
    “Wir nehmen die Sache jetzt selbst in die Hände. Wir werden schon überleben.”
    “Und wenn …”
    Die Wucht des ersten Steins, aus der Distanz geschleudert, brachte Julius aus dem Gleichgewicht. Beim zweiten Treffer ging er zu Boden.
    “Julius? Julius, kannst du mich hören?”
    Es kostete ungeheure Mühe, Lucas’ Worte zu begreifen.
    “Julius?”
    Er zwang sich dazu, die Augen zu öffnen, und spürte sofort einen brennenden Schmerz über der rechten Braue.
    “Ein Stein hat dich getroffen. Du blutest heftig.” Lucas beugte sich über den jüngeren Amtsbruder und spähte bang in dessen Gesicht. Julius nahm ihn aber nur ganz verschwommen wahr und schloss die Augen wieder.
    “Julius!”
    Sein Kopf dröhnte.
    “Julius!”
    Als er diesmal die Augen aufmachte, behielt er sie auf. “Was ist geschehen?”
    “Vermutlich haben sie uns die ganze Nacht über zwischen den Bäumen aufgelauert, um uns den Weg abzuschneiden.”
    Julius stemmte sich gegen ein Gefühl der Benommenheit. Das Zypressendickicht, in dem die Häscher im Hinterhalt gelegen haben mussten, bot eine vollkommene Tarnung. Zwei oder drei Angreifer konnten sich hinter dem grünblauen Vorhang mit Leichtigkeit verbergen und so gut wie unsichtbar machen. Ein nichts ahnender Spaziergänger hätte dort niemanden vermutet.
    Als Julius noch ein kleiner Junge gewesen war, hatte sein Vater ihm Bilder gemalt und ihn dann aufgefordert, aus dem komplizierten Gebilde einen versteckten Vogel, eine Urne oder einen Esel herauszulesen. Der Knabe Julius musste dann angestrengt auf das Bild starren und die Lücken in den Mustern studieren, und siehe da! schon entdeckte er das versteckte Objekt, und zwar meistens dort, wo man es am wenigsten vermutete: in den freien Flächen der Zwischenräume.
    Verstecken vor aller Augen. So nannte sein Vater das.
    Die Steinewerfer hatten nach diesem Motto gehandelt.
    Und genau auf diese Weise, so Julius’ Vorsatz, konnte Sabinas Rettung gelingen: durch Nutzung der Lücken.

31. KAPITEL
    R om, Italien – Mittwoch, 23:55 Uhr
    Leo Vendi, der Fahrer des schwarzen Geländewagens, stopfte den von Signora Volpe durchs Fenster geworfenen Plastikbeutel unter den Beifahrersitz, stieg aus dem Wagen, schloss ab, legte den Autoschlüssel verdeckt oben auf dem rechten Hinterreifen ab und schlenderte davon. Ein Fußmarsch über zwei Straßenzeilen führte ihn zu der Gasse, wo er sein Motorrad abgestellt hatte. Dort stieg er auf seinen fahrbaren Untersatz, ließ den Motor an und brauste mit Vollgas los, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, wer wohl den Beutel mit den Dokumenten aus dem abgestellten SUV holen würde. Es war nämlich spät, und Leo war müde und hungrig. Aber er war eben auch Profi, und wenn jemand von ihm eine Tüte mit Papierkram in einem abgestellten Fahrzeug deponiert haben wollte, egal, in welcher Wohngegend, dann lag er bei Leo genau richtig.
    Eine Viertelstunde später, als Leo gerade eine Portion Pasta verspeiste und dazu einen preiswerten, aber guten Rotwein genoss, näherte sich ein Mann namens Marco Bianci dem schwarzen Geländewagen. Ganz beiläufig klaubte er sich den Schlüssel vom Hinterrad, schloss auf, ließ sich hinters Lenkrad gleiten und fuhr davon. Nach etwa einem halben Dutzend Häuserblocks zog er kurz den Beutel unter dem Beifahrersitz hervor und riskierte einen Blick

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