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Der Mensch vom Mars. Roman.

Der Mensch vom Mars. Roman.

Titel: Der Mensch vom Mars. Roman. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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den Fortbewegungsmechanismus: es hat keine Extremitäten, doch es bewegt sich fort und springt durch das Zusammenziehen des Bauchunterteils.«
    Ich sah mir das ziegelrote Gebilde an, das auf dem Boden des leeren Aquariums herumsprang, und bemerkte, daß es hellere und dunklere Streifen aufwies und dort, wo sich die Zacken befanden, eine Art dünner Griffe hatte.
    »Aber das sind doch nicht seine Extremitäten?« rief ich erstaunt.
    Wahrhaftig, die sogenannten Zacken waren in Wirklichkeit zwei Kiefer, die sorgfältig aus dem silberblauen Metall herausgefeilt worden waren und ein fast mathematisch berechnetes System der Verzahnung besaßen. Die Fortsätze, die jene Kiefer hielten, waren spiralförmig gedreht.
    »Leider, Sie haben recht: Es stellte sich heraus, daß sich die Insekten auf dem Mars eines Werkzeuges bedienen«, sagte der Doktor. Er ergriff das Tier mit den Zangen, was ihm nicht gleich gelang. Der Ingenieur sah es mit Staunen, befahl größere Vorsicht und schob das Wesen in den Zigarrenbehälter.
    Als der gewissenhafte Ingenieur alles im Safe untergebracht hatte, sagte der Doktor: »Mir wird schon übel, wenn ich es nur sehe. Wäre ich kein alter Narr gewesen, wäre ich jetzt nicht hier. Ich rede nicht von den Gefahren« – er richtete sich leicht auf –, »ich habe das Militärverdienstkreuz, aber diese verrückten Dinge und dieser mechanische Kadaver bringen mich aus dem Gleichgewicht. Und wozu braucht man einen Arzt?« fragte er sich und führte mich zu dem Korridor, der, wie immer, auch tagsüber künstlich beleuchtet war. »Meinen Sie nicht, man brauchte einen Uhrmacher für diese Marsmenschen und keinen Arzt? Hahaha!«
    Der Ingenieur schob den Riegel vor und wandte sich uns zu. »Nehmen Sie sich die Bemerkungen des Doktors nicht allzusehr zu Herzen«, sagte er, »und auch nicht seinen Pessimismus: er nimmt sich selbst nicht ernst.«
    Wir betraten das Parterre. Der Ingenieur drückte auf den Knopf. Ein leises Surren ertönte, die Tür sprang auf, und der kleine, halbverdunkelte Innenraum des Aufzuges öffnete sich vor uns. Ich sah meine Begleiter an.
    »Gehen wir in die Bibliothek«, sagte der Doktor und sah auf die Uhr: »Es ist elf, gleich findet der Kriegsrat statt.«
    Die Bibliothek war leer, so schien es mir jedenfalls im ersten Augenblick. Am Seitenfenster stand ein Mann, mit dem ich bis jetzt noch nicht gesprochen hatte. Er war klein, rundlich und trug einen lockeren, weit geschnittenen Anzug, der über seine gewölbten Schultern schlotterte und kaum seine rundlichen Formen zu verbergen vermochte. Sein Gesicht war olivbraun, die Haare waren blauschwarz und die Augen grün, als stammten sie von einem Norweger, denn sie glänzten wie das Eis in den Gletscherklüften.
    »Oh, Mr. Gedevani ist hier!« Der Doktor schien zufrieden. »Nun, was gibt es Neues?«
    Mr. Gedevani sprach kein besonders gutes Englisch.
    »Doktor, der Professor hat Sie gerufen. Oben und unten hat es schon dreimal geläutet. Gehen Sie in den kleinen Operationssaal.« Der Doktor erwiderte nichts mehr, seine Bewegungen wurden genau, schnell. Er griff mit der linken Hand in die Innentasche und überprüfte, ob er die Injektionsspritze bei sich hatte, dann lief er aus dem Saal.
    »Was ist los?« fragte ich.
    »Ich weiß nicht.« Mr. Gedevani trommelte mit den Fingern auf den Tisch. »Es scheint, daß unser Freund Lindsay Mr. Frazer beweisen wollte ... hm ... daß die Maschine, das heißt, der Mensch vom Mars, keine Strahlen aussendet ...«
    »Und was war los mit ihm?«
    »Burke fand ihn ohnmächtig beim Aufzug. Er wollte wohl flüchten, wer weiß?«
    In diesem Augenblick ging die Tür auf, und der Professor stürzte herein. Ihm folgten alle anderen außer dem Doktor und Lindsay. Der Professor lief die Bibliotheksregale entlang, stampfte mit den Füßen, murmelte etwas und warf einen zornigen Blick auf die Männer, die sich langsam setzten, Zigaretten anzündeten und abwarteten, daß der Zorn des Alten verrauchte.
    »Tausendmal habe ich gesagt: Keine Experimente auf eigene Faust! Es muß Schluß damit sein oder ich reise morgen ab – seid ihr Kinder?« brach es dann aus dem Professor hervor. »Die Sache ist ohnehin zu ernst, als daß ein großer Gelehrter aus Ehrgeiz oder wegen einer ad hoc konstruierten Theorie sich dieser Gefahr aussetzen sollte ...« Er unterbrach sich, holte aus der Westentasche eine unmöglich zerdrückte Zigarre, biß das eine Ende ab, steckte sie an und fuhr in einem ganz anderen Tonfall fort: »Unser

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