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Der Mensch vom Mars. Roman.

Der Mensch vom Mars. Roman.

Titel: Der Mensch vom Mars. Roman. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Öffnung zeigte sich etwas, das wie ein schwarz glänzendes, stumpf auslaufendes Kabel aussah. Er glaubte, daß es das Ende eines Schlangenrohrs war, die, wie es scheint, dem Marsmenschen als Extremitäten dienen. Doch der Ingenieur befand sich, vermutlich unter Einwirkung der Strahlung, in einer derartigen seelischen Verfassung, daß er sich über diese Erscheinung nicht wunderte, sondern weiterhin dort saß, bis er rund zehn Minuten später in Ohnmacht fiel. Ich bin der Meinung, auch wenn dieses Phänomen des Verschwindens der fünfzehn Zentimeter dicken Stahlplatte gar nicht stattgefunden hat und es sich um eine Projektion des vergifteten Bewußtseins handelte, so liefert es dennoch einen Fingerzeig, wie die vom Areanthropos ausgesandten Strahlen wirken: Sie bewirken nämlich den Verlust der kritischen Urteilsfähigkeit und tragen dazu bei, daß der Mensch auf allmähliche und unauffällige Art das Bewußtsein verliert, ohne sich dagegen wehren zu können.«
    Als der Doktor geendet hatte, schwiegen alle längere Zeit.
    »Eigentlich ändert das gar nichts«, bemerkte der Professor. »Mr. Gedevani, Sie sind uns – und nicht nur uns – als der beste Spezialist für experimentelle Atomphysik bekannt. Sie haben doch in Chicago vier Jahre am Zyklotron von Lawrence gearbeitet: Ich bitte Sie um Ihre fachmännische Meinung: Ist die Diffusion eines Körpers durch eine Stahlplatte ohne Erhöhung der Temperatur möglich? Bitte, erklären Sie das ausführlich.«
    Der kleine olivbraune Gedevani stand auf, schwieg eine Weile und explodierte schließlich:
    »Herr Professor, meine Herren! Wenn ein solches Phänomen möglich ist, dann ist alles möglich ... Theoretisch, ja. Ich muß sagen, theoretisch, das heißt, nach der Wahrscheinlichkeitstheorie, muß ein Stein nicht fallen, Wasser auf einer Herdplatte nicht brodeln, es ist bloß wahrscheinlich, daß es ... wie sagt man? Daß es geschehen wird. Aber in diesem Fall – nicht. Ich glaube, wenn dieses Phänomen möglich ist, dann werden die Grundlagen unseres Wissens über die Materie und ihre Struktur erschüttert.«
    »Wer weiß, ob es nicht schon einmal geschehen ist ... Vielleicht wird dieser Ankömmling all unsere Vorstellungen über den Haufen werfen?« bemerkte der Doktor halblaut.
    »Auch wenn es dazu kommt, dann wird er uns dafür etwas anderes, Besseres, Vollkommeneres bieten«, sagte Gedevani.
    »Was die Strahlung angeht«, sagte der Mitarbeiter von Lawrence, »glaube ich, daß die Sache einfach ist. Wenn sie von einem Teil der Maschine emittiert wird, dann existiert dort jedenfalls eine Abschirmung, die sie dämpft, auch wenn die Emissionsstärke der Strahlung eines Körpers bei einem Druck von sechzehn Trillionen Atmosphären und einer Temperatur von zehn Millionen Grad gleichkommt ... das heißt, der von Sternen, die eine solche Strahlung aussenden.«
    »Wie dick ist eine solche Abschirmung?« fragte der Professor.
    »Etwa dreihundert Meter Blei.«
    Es ist unbeschreiblich, wie verdutzt alle waren.
    »Aber wir sitzen hier doch wie auf einem Vulkan«, rief der Doktor. »Vielleicht sind wir alle unter dem Einfluß dieser Wellen oder Strahlen verrückt geworden – das ist lächerlich!«
    »Ich behaupte nicht, daß eine solche Dicke existiert – das ist das Maximum – und die Maschine taugt für solche Druckwerte oder Temperaturen nicht.«
    »Und woher wissen Sie das?«
    »Weil Sie mich gefragt haben, Ingenieur. Allein der Druck der Strahlenemission eines Körpers mit einer solchen Temperatur legt in einem Umkreis von einigen Kilometern alles lahm ... und bei uns ist alles, Gott sei Dank, in Ordnung.« Er klopfte mit gekrümmtem Finger auf den Tisch.
    Professor Widdletton hielt es nicht mehr aus: »Sie sind nicht hierhergekommen, um auf Holz zu klopfen, lieber Mr. Gedevani«, bemerkte er mit falscher Liebenswürdigkeit. »Bitte, was schlagen Sie vor?«
    »Ich möchte wissen, was Sie wollen.«
    »Aber das ist doch klar, nicht wahr? Ich will ein vom Doktor entworfenes Experiment durchführen.«
    »Und worauf beruht dieses Experiment?«
    »Haben Sie Ihr Gedächtnis verloren? Wir werden es weiter mit der Marsatmosphäre versuchen ...«
    »Wozu?«
    »Damit die Maschine wieder normal arbeitet.«
    »Und woher wissen Sie, was Normalität in diesem Zusammenhang bedeutet?«
    Seit einigen Minuten fühlte ich, daß mein Blutdruck stieg. Ich bemerkte auch, daß sich alle Gesichter etwas röteten – die Adern auf der Stirn schwollen an.
    Plötzlich hörte man eine Erschütterung,

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