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Der Mensch vom Mars. Roman.

Der Mensch vom Mars. Roman.

Titel: Der Mensch vom Mars. Roman. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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gegenseitig ab oder sie fressen einander«, sagte ich. »Machen Sie einen mutigen Schnitt, Professor, wir kennen das ... was kann uns unter irdischen Bedingungen denn erschrecken? Das ist lächerlich.«
    »Nein, mein Freund, es ist entsetzlich«, sagte der Professor, »denn was ich gesehen habe, hat all meine Vorstellungen zerstört. Er sieht genauso aus wie vorher, nicht wahr? Äußerlich unterscheide ich mich von euch. Ich weiß schon, welches Ziel und welchen Sinn das Leben hat.« Er zögerte. »Ich war in der südlichen Hemisphäre des Mars«, sagte er. »War noch jemand in der südlichen Hemisphäre?« fügte er sehr laut hinzu.
    »Ich habe das gleiche gesehen wie McMoor«, sagte Frazer.
    »Ich auch«, fügte Lindsay hinzu, »ich sah ein Kanalnetz, das mit einer Flüssigkeit gefüllt war, und die Maschinen. Sprechen Sie, Professor, sprechen Sie ...«
    Der alte Mann beugte sich nach vorn, sein Gesicht wurde bleich. »Ja, ich war in der südlichen Hemisphäre«, sagte er mit so sonderbarer Stimme, daß es mir kalt über den Rücken lief.
    »Und was haben Sie dort gesehen?«
    Der Professor setzte zu sprechen an.
    In diesem Augenblick ging die Tür auf, und eine Gestalt stürzte in den Saal, eine torkelnde, bebende Gestalt, die nach einigen Schritten zu Boden fiel.
    »Doktor«, rief ich, »Doktor!«
    Er lag ohnmächtig da. Aus seiner zerschnittenen Stirn rann das Blut und zeichnete einen dunklen Streifen auf den verwaschenen Betonboden.
    Wir versuchten ihn ins Bewußtsein zurückzurufen. Ich zog sein Etui mit den Ampullen heraus – alle waren zerbrochen. Er atmete flach, röchelnd ... es war merkwürdig, daß er es aus eigener Kraft bis zur Halle geschafft hatte.
    »Wo ist Burke?« fragte jemand. Niemand antwortete. Der Doktor schlug die Augen auf und stöhnte. Aus seinem Mund rann ein bißchen Blut.
    »Er hat innere Blutungen«, sagte ich erschreckt. »Professor!«
    Der Professor stand unbeweglich da. »Ich bin nicht allmächtig, McMoor, ich bin nicht allmächtig ... ich fürchte, unser Freund stirbt.« Der Atem des Doktors stockte immer wieder. Ich öffnete sein Hemd und bemerkte schreckliche blutunterlaufene Stellen auf der Brust.
    »Jemand wollte ihn erdrücken«, rief ich, »er hat gebrochene Rippen.«
    Der Doktor schlug zum zweiten Mal die Augen auf, ein Moment der Wachheit glänzte darin. Er öffnete den Mund, wieder rann ihm ein Blutfaden über den Bart auf die Hemdbrust. »Freunde ...«, flüsterte der Doktor und machte eine Bewegung, als wolle er aufstehen.
    »Er will sprechen – Sie dürfen sich nicht anstrengen – strengen Sie sich nicht an!« rief ich, aber er schaute mich so an, daß ich ihn selbst aufhob und vorsichtig seinen Kopf hielt. Er begann zu flüstern, mit Unterbrechungen, die durch die immer stärker werdende Blutung hervorgerufen wurden.
    »Sprengen ... alles sprengen ...«, röchelte er, »ihn zerstören – schon in einem Augenblick kann es zu spät sein ...«
    »Was ist los? Was ist mit Ihnen geschehen?« fragten die anderen durcheinander.
    »Es ist Fink ..., es ist Fink ... ich habe es gesehen, ich habe es gesehen ...«
    Was sagte er da von Fink? Ich verstand nichts von alledem.
    Der Kopf des Arztes wurde in meinen Händen immer schwerer.
    »Alle Minen, sofort – sofort – sprengen ...« Er verlor das Bewußtsein.
    »Redet er irr?« fragte Frazer.
    Ein letzter mächtiger Blitz glühte im Auge des Doktors. Er spuckte ein enormes Blutgerinnsel aus, verschluckte sich und sagte mit fast normaler Stimme:
    »Sprengen – sofort – das ganze Gebäude, denn sonst sind wir alle verloren.« Und stiller: »Es ist Fink ... Fink ... dort.«
    Sein Kopf sank zur Seite. Ich maß seinen Puls, er schlug nicht mehr. Der Doktor war tot.
    Wir standen über den toten Körper gebeugt. Was tun?
    »Wir müssen hinauf, um zu sehen, was mit Fink los ist und uns bemühen, ihn zu retten«, sagte der Professor. »Dann sprengen wir das Gebäude. Darüber hinaus – wenn ich es gewußt hätte – ich dachte aber, vielleicht irre ich mich. Ich wollte als Mensch diese schreckliche Vision verstehen. Jetzt sehe ich, daß ich recht hatte. Das waren keine Alpträume, es war etwas Schlimmeres: es war die Wirklichkeit.«
    Dann richtete er sich auf und sagte mit der alten starken Stimme: »Meine Herren, wer geht hinauf?«
    Zwei meldeten sich – Lindsay und ich.
    »Sie sind überflüssig«, sagte Widdletton. »Sie gingen schon, um die Gasgeschosse und um den Doktor zu holen. Sie haben schon genug vom Aeranthropos

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