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Der Mensch vom Mars. Roman.

Der Mensch vom Mars. Roman.

Titel: Der Mensch vom Mars. Roman. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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gesehen. Sie gehen, Ingenieur – auf eigene Verantwortung.«
    Diese Worte aus dem Mund des alten Mannes ließen mich erzittern, aber ich beherrschte mich. Lindsay zog den Gürtel aus der Hose.
    Der Professor sagte: »Haben Sie einen Revolver?«
    »Wozu brauche ich einen Revolver?« Der Ingenieur staunte. »Dem Aeranthropos kann eine Kugel sowieso nichts anhaben.«
    »Nun ja ... dem Marsianer nicht ... sicher nicht ...«, sagte der Professor, begab sich plötzlich zu einem der Schränke, wühlte eine Weile darin herum und händigte Lindsay schließlich einen flachen schwarzen Browning aus.
    »Nehmen Sie das – für alle Fälle.«
    Der Ingenieur schaute eine Weile auf die glänzende Waffe, wog sie, dann zuckte er mit den Achseln und ging, eine Taschenlampe in der Hand, hinauf. Wir standen in der Tür. Frazer blieb bei dem Werfer, Gedevani beim Minenauslöser, und der Professor und ich gingen in den Korridor. Es herrschte angespannte Stille.
    Ich ertrug es nicht, so herumzustehen und zu warten.
    »Ich gehe zum Treppenuntersatz!« rief ich. Der Professor hielt mich mit einem heftigen Ruck zurück.
    »Ehrenwort, McMoor?«
    »Ehrenwort, Professor!« rief ich und lief schon zu dem Podest. In der Dunkelheit sah ich, wie der schwache Widerschein der Taschenlampe des Ingenieurs in den Stockwerken immer höher kreiste.
    Dann waren seine Schritte auf der Ebene des zweiten Stockwerks zu vernehmen. Ich hörte, wie sich die Tür der kleinen Montagehalle leise auftat – dann herrschte Stille.
    Der Puls schlug mir in den Schläfen, meine Muskeln waren angespannt, ich stand in der tintenschwarzen Dunkelheit und zählte: 45 ... 46 ... 47 ... 48 ... 49 ... 50 ... Plötzlich knallte ein Schuß.
    Ich zitterte, sprang zur Treppe, aber das verdammte Ehrenwort ließ mich innehalten. Ein zweiter und dritter Schuß. Und plötzlich, zum ersten und letzten Mal in meinem Leben, erfaßte mich Grauen. Man hörte den Aufschrei eines von schrecklicher Angst gepackten Menschen.
    Ein lautes, schnelles Getrappel – ein Schuß war knapp über dem Stiegenhaus zu hören – und ein scharfes, heulendes Geschrei, das immer mehr anwuchs. Ich spürte plötzlich einen Luftzug, und eine dunkle Masse schlug etwa einen Meter vor mir auf dem Beton der Plattform auf.
    Ich spürte, wie mir etwas Naßwarmes ins Gesicht spritzte. Ich sprang nach vorn – ein Lichtstrahl ergoß sich aus der Taschenlampe.
    In dem gelben Lichtkegel zeigte sich der durch den Sturz aus dem zweiten Stock schrecklich zertrümmerte, den Kopf zwischen den Armen eingekeilte Körper des Ingenieurs Lindsay.
    Ich erkannte ihn an der Hose, und als ich an seiner Kleidung zerrte, um ihn umzudrehen, sprang ich voll Grauen zurück. Seine Augen starrten, seine Zunge, die er sich beim Aufprall abgebissen hatte, hing aus dem weit aufgerissenen Mund, und blutiger Schaum bedeckte sein Gesicht. Ich hörte ein Stöhnen – es war der Professor.
    »Das habe ich befürchtet«, flüsterte er leise, wie zu sich selbst, »das habe ich befürchtet.«
    »Professor – der Marsianer ist wahnsinnig geworden.«
    Der Professor schaute mich lange an. »Mein lieber Junge«, sagte er endlich mit schrecklicher Wut, »es ist kein Marsianer, vor dem Lindsay in so panischer Angst davongelaufen ist, daß er sich nicht mehr zurechtfand, und nicht der Marsianer hat dem Doktor die Rippen gebrochen ...«
    »Wer dann?« fragte ich und spürte, wie mir das Herz stehenblieb.
    »Ingenieur Fink«, sagte der Professor, drehte sich um und schritt in die Dunkelheit davon. Ich folgte ihm. In der Halle erklärte der Professor Frazer und Gedevani, was vorgefallen war.
    »Fink! Das kann nicht sein, der ist wahnsinnig geworden.«
    »Nein, er ist nicht wahnsinnig geworden ... wenn man es als Mensch sieht. Ihr Lieben – verübelt mir nicht, wenn ich es ausspreche – Fink ist kein Mensch mehr. Bringen wir bitte die Zündkapseln an, geben wir die Gasminen auch noch dazu – alles soll in Trümmer gerissen werden, es muß sein.«
    »Geben wir also auf, Professor?«
    »Denken Sie bloß nicht, daß durch den Verlust unserer Kameraden – nein, aber ich kenne dieses Wesen im zweiten Stock. Dieses Wesen und seinesgleichen sollten nicht existieren. Wir brauchen seine Klugheit oder sein Wissen oder diese schreckliche kalte Vollkommenheit nicht.«
    »Ich verstehe Sie nicht, Professor.«
    »Wir haben jetzt keine Zeit, McMoor. Bitte legen Sie die Zündkabel.«
    Unter Anleitung Frazers legten wir das Netz der zusätzlichen Zünder zu allen Gas- und

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