Der Menschenjäger
wartete.
Mythors Hand bebte. Aus Yoters Augen sprach plötzlich eine nie für möglich gehaltene Angst. Er, den die Finsternis ausgespien hatte, zitterte um sein Leben!
»Töte mich nicht!« keuchte er. »Laß mich leben, und ich werde dein Diener sein!«
»Du wirst dich bei der nächstbesten Gelegenheit auf mich stürzen! Du wirst dich rächen, sobald ich dir den Rücken zudrehe!«
»Nein! Du hast mich bezwungen, Mythor! Deshalb gehöre ich dir!«
Nun war es an Mythor, zu lachen.
»Und das soll ich ausgerechnet dir glauben, der soviel von Güte und Edelmut hält?«
»Ich hasse eure Tugenden! Auch ich habe meinen Stolz! Einmal mag ich dich vielleicht wieder zum Zweikampf fordern, aber bis dahin werde ich dem zu Diensten sein, der mich besiegte!«
»Höre nicht auf ihn!« kam es von Burra, die lautlos hinzugetreten war. »Töte ihn jetzt, solange du die Gelegenheit dazu hast! Sein Wort ist nichts wert!«
»Töte ihn!« riefen Scida und Tertish.
Mythor zögerte. Das, was er in Yoters Augen sah, war Angst.
Er stand auf, steckte die Klinge fort und nickte grimmig.
»Laßt ihn!« befahl er den Amazonen. »Er soll die Gelegenheit bekommen, sich zu bewähren. Er soll lernen, daß das, was er für unsere Schwäche hält, in Wahrheit Stärke ist.«
»Das kann nicht dein Ernst sein!« entfuhr es Scida. »Du wirst sein Schwert im Rücken haben, bevor wir aus dem Sud heraus sind!«
»Das glaube ich nicht.«
Mythor wartete, bis Yoter auf den Beinen war. Er selbst bückte sich nach der Doppelaxt und gab sie ihm zurück.
»Du wirst es nicht bereuen, Mythor«, versicherte der Menschenjäger.
»Vielleicht doch. Aber denke du immer daran, daß mindestens zehn Augen auf dich gerichtet sind.«
Er ließ ihn stehen und begab sich zu Fronja, um die sich die beiden Aasen und Nadomir kümmerten. Sie konnte aufstehen, war unversehrt. Nur der Schreck stand ihr noch im Gesicht geschrieben. Sie ließ sich in Mythors Arme fallen. Sie zogen sich etwas zurück, während Nadomir die im Kampf verwundeten Kriegerinnen mit seinen Kräutern und Heilsalben behandelte.
»Das war Rettung im letzten Augenblick«, flüsterte Fronja. »Ich sah mich schon…« Schaudernd drückte sie den Kopf an seine Schulter. »Du hättest ihn töten sollen, Mythor. Wir werden vor ihm niemals sicher sein. Du kannst nicht so töricht sein, an seine Versprechungen zu glauben.«
»Warte ab. Wir alle werden ein sehr wachsames Auge auf ihn haben. Die vor uns liegenden Stufen der Dämonenleiter werden noch gefahrvoller sein, und ein kundiger Führer auf dem weiteren Abstieg kann sich als wertvoller erweisen als ein Dutzend erfahrener Kämpfer.«
Sie blickte ihn an, als wollte sie fragen, ob er an seine Worte glaubte. Er stellte sich die Frage selbst. Im nachhinein betrachtet, war es ihm doch, als wäre Yoters Aufgeben etwas zu plötzlich gekommen.
»Wir werden wachsam sein«, wiederholte er.
Als sich die Wunden der Amazonen geschlossen hatten, sammelten sich die Gefährten zum Weitermarsch. Yoter ritt wieder auf der achtbeinigen Katze und hatte die Shrouks zurückgerufen, die den Kampf lebend überstanden hatten. Immer noch waren es knapp fünfzig an der Zahl. Auch sie waren nun an Yoters Wort gebunden.
»Was ist die nächste Stufe der Dämonenleiter?« fragte Mythor den Pfader.
Robbin, der auf ähnliche Fragen bisher eisern geschwiegen oder vorgegeben hatte, nichts darüber zu wissen, mochte einsehen, daß nun Yoter für ihn antworten würde, tat er es nicht selbst.
»Der Hamboz«, erklärte er widerstrebend, als kostete es ihn größte Überwindung, allein den Namen dieses Landes auszusprechen. »Und gegen das, was dort auf uns wartet, war selbst der Weg durch den Sud noch ein harmloser Spaziergang.«
»Gemeinsam werden wir ihn meistern!« dröhnte Yoters Stimme auf. »Den Hamboz und auch Scadrach, die erste Stufe!«
Weshalb dieser plötzliche Ehrgeiz? fragte sich Mythor.
Er sah die zweifelnden Blicke der Gefährten auf sich gerichtet, fühlte ihren Mißmut über seine Entscheidung. Fast war es so, als hätte sie einen Keil zwischen sie und ihn getrieben.
»Worauf warten wir?« rief er ärgerlich. »Auf! Die Hälfte des Weges liegt hinter uns!«
Murrend folgten ihm die Amazonen. Nadomir und Robbin warnten wieder und wieder, und selbst die Aasen verbargen ihre Zweifel nicht.
Unangefochten erreichte die nun etwa siebzigköpfige Gruppe das Ende des Suds. Unter ihnen lag Hamboz – und das namenlose Grauen.
EPILOG
In Yoters Geist hallte noch immer
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