Der Menschenraeuber
mich ist es ein Beweis deiner Liebe, wenn du genau das tust, was ich sage.« Er küsste sie aufs Haar und ging aus dem Zimmer.
»Im Sommer habe ich wieder Arbeit für dich, da kannst du wiederkommen«, hatte Jonathan Ende Oktober zu Serafina gesagt. »Jetzt machen wir erst einmal eine Winterpause.«
»Waaas?«
Jonathan hätte niemals geglaubt, dass ein Mensch wie Serafina so hasserfüllt schauen konnte.
»Sie schmeißen mich raus? Was soll das denn, zum Teufel? Warum halbieren wir nicht einfach die Stundenzahl wie im letzten Jahr, wenn weniger zu tun ist?«, hatte Serafina gefragt und die Fäuste in die Hüften gestemmt.
»Weil wir eine Winterpause machen! Hab ich mich nicht deutlich ausgedrückt?«
Serafina machte ein Geräusch, als würde sie ein lästiges Haar ausspucken, nahm ihre Sachen und ging. Jonathan glaubte nicht daran, dass sie im Frühjahr wieder bei ihm arbeiten würde, aber das konnte er nicht ändern. In den nächsten Monaten konnte er Serafina jedenfalls nicht im Haus gebrauchen. Niemand sollte Sofia sehen. Dann musste er eben in den sauren Apfel beißen und im Frühjahr eine neue Putzfrau anlernen.
Es musste sein.
Er ging ins Magazin, holte Eimer, Scheuerlappen und Schrubber und machte sich daran, die Küche zu wischen.
»Wo ist Serafina?«, fragte Amanda, als sie zum Mittagessen in der Küche erschien.
»Sie arbeitet nicht mehr für uns«, erwiderte Jonathan, »darum putze ich ja jetzt die Küche.«
»Was soll der Unfug? Serafina war die beste Putzfrau, die wir je hatten. Warum schmeißt du sie raus, verdammt? Bist du verrückt geworden?«
»Serafina ist von allein gegangen, Amanda. Wahrscheinlich hat sie was Besseres gefunden. Ich habe gehört, die Amerikaner zahlen das Doppelte.«
»Zum Teufel mit den Amis, denen das Geld zu den Ohren rauskommt«, knurrte Amanda, und damit war das Thema für sie erledigt und Serafina für alle Zeiten vergessen.
ZWEIUNDDREISSIG
»Ich möchte in die Christmette«, sagte Sofia einen Tag vor Weihnachten zu Jonathan. »Bitte, lass uns zusammen hingehen!«
»Nein.« Jonathans Stimme klang so endgültig und kalt wie eine eiserne Zellentür, die ins Schloss fällt.
Sie zuckte unwillkürlich zurück und fragte: »Warum?« Als sie es aussprach, wusste sie, dass es ein Fehler gewesen war. Es würde ihn wieder wütend machen, und eine Antwort bekam sie ohnehin nie.
»Sofia, bitte, lass mich endlich mit dieser ewigen Fragerei in Ruhe! Es dauert nicht mehr lange. Höchstens noch bis zum Frühjahr, dann kannst du wieder tun und lassen, was du willst!«
»Ich bin deine Frau und nicht deine Gefangene, Jonathan.«
»Du bist mein Ein und Alles, Sofia, mein Leben und meine Liebe, alles, was ich will, hoffe und wünsche. Ohne dich kann ich nicht atmen, nicht schlafen, nicht essen und nicht trinken, verstehst du? Du bist das Kostbarste, was ich habe, und darum sei so lieb, und lass mich dich beschützen. Ich habe die Verantwortung für dich.«
Sofia verstummte. Was sollte sie dazu noch sagen? Seine Worte klangen wie die Liebeserklärung einer Schlange, kurz bevor sie das Kaninchen fraß.
Sie liebte Jonathan, wie sie noch keinen Menschen geliebt hatte, aber sie spürte auch, dass jeden Tag ein kleines Stück ihrer Liebe verlorenging, weil sie ihn nicht mehr verstand und er ihr immer mehr Angst machte. Bis zu ihrer Hochzeit hatte sie geglaubt, ihn zu kennen, jetzt hatte sie mehr und mehr das Gefühl, einen Fremden neben sich zu haben.
Nach der Hochzeit hatte Jonathan das Haus umgebaut und die kleine Ferienwohnung, einen Magazinraum und einen winzigen Abstellraum zu ihrer gemeinsamen Wohnung gemacht. Riccardo und Amanda hatten jeder ein eigenes, aber kein gemeinsames Zimmer.
Als die Maurer und Maler mit Umbau und Renovierung fertig waren und Jonathan die Wohnung eingerichtet hatte, führte er Sofia durch die neuen Räume.
»Das Herzstück unserer Wohnung ist diese wunderbare Wohnküche. Und wenn du hier von der Tür sieben Schritte genau geradeaus gehst, stehst du direkt vor meiner Überraschung für dich.«
Sofia machte ein paar Schritte und erreichte einen großen Esstisch. Ungläubig befühlte sie das schwere Eichenholz, die grobe Maserung, die winzigen Astlöcher und Unebenheiten. So einen alten rustikalen Tisch hatte sie sich immer gewünscht.
»Ich hab ihn in Arezzo gefunden.«
»Er ist traumhaft! Endlich haben wir einen Platz, wo wir auch mit Freunden sitzen und essen können, während einer von uns in der offenen Küche noch irgendetwas
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