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Der Menschenraeuber

Der Menschenraeuber

Titel: Der Menschenraeuber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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war.«
    Für Sofia sprach er nur noch in Rätseln. Sie verstand die Welt nicht mehr und wurde immer unglücklicher. Am meisten sehnte sie sich danach, mit irgendeinem Menschen zu sprechen und ihr Herz auszuschütten. Aber das war unmöglich. Jonathan trug das tragbare Telefon immer mit sich herum.
    »Ich will für das Krankenhaus erreichbar sein«, meinte er zu Sofia, »meiner Cousine geht es erheblich schlechter. Und außerdem – wer ruft denn schon an, mein Engel? Es sind doch fast nur Gäste. Und da ich die Organisation der Vermietung mache, ist es einfach praktischer, wenn ich das Telefon bei mir habe. Sag mir, wenn du telefonieren willst, dann geb ich es dir.«
    Aber Sofia wollte nicht, da er sie nie allein ließ, sondern während des ganzen Gesprächs neben ihr stand.
    Wenn er zum Einkaufen fuhr, nahm er das tragbare Telefon einfach mit. In die Rückwand des Wohnzimmerschrankes hatte er ein Loch gebohrt, so dass er die Station nachts in die Steckdose stecken und das Telefon aufladen konnte. Den Schrankschlüssel versteckte er. Als Blinde hatte Sofia keine Chance, ihn zu finden.
    »Warum tust du das?«, wollte sie wissen. »Warum sperrst du mich ein, isolierst mich und nimmst mir jede Freiheit? Ich bin ja gar kein Mensch mehr!«
    »Es ist besser für dich«, sagte er lächelnd. »Glaub mir einfach. Eines Tages wirst du es verstehen.«
     
    Im November rief Gabriella an. Sie hatte sich in den Kopf gesetzt, kurz vor Weihnachten auf der Piazza von Ambra einen dreitägigen Basar zu veranstalten. Von dem Erlös wollte sie Spielzeug für den ortsansässigen Kindergarten kaufen und die Räume des »Asilo infantile« neu streichen lassen.
    »Es ist auch für dich gut«, hatte sie zu Neri gesagt, »wenn die Leute mich als eine Person im Gedächtnis haben, die sich um die Gemeinschaft kümmert und Gutes tut. Du wirst sehen, das öffnet dir die Türen. Die Menschen in Ambra werden wesentlich zutraulicher werden.«
    Noch zutraulicher brauchen sie gar nicht zu sein, dachte Neri grimmig, aber er sagte es nicht, weil er seiner Frau die gute Laune nicht verderben und ihr nicht die positive Energie rauben wollte.
    »Sicher«, sagte er daher nur. »Wahrscheinlich wird es so sein. Mach, wie du willst.«
    Aus diesem Grund rief Gabriella auf La Passerella an, hatte Jonathan am Apparat und fragte ihn, ob sie vielleicht Kleidungs-oder kleine Möbelstücke, Haushaltsgegenstände, Nippes oder Krimskrams hätten, den sie entbehren und dem Basar zur Verfügung stellen könnten.
    »Ja, sicher, da haben wir bestimmt einiges. Ich werde mit Sofia mal gucken, was wir spenden können.«
    »Hast du was dagegen, wenn ich zu euch komme? Dann kann ich an Ort und Stelle entscheiden, was ich von dem, was ihr aussortiert habt, gebrauchen kann und was nicht. Dann musst du nicht alles nach Ambra schleppen.«
    »Nein«, sagte Jonathan entschieden. »Das passt uns im Moment nicht.«
    »Es dauert bestimmt nicht lange.« Gabriella war hartnäckig. »Zehn Minuten, dann bin ich wieder weg und nehme die Sachen gleich mit.«
    »Nein. Tut mir leid, Gabriella. Sofia fühlt sich nicht wohl. Sie ist im achten Monat schwanger und möchte ihre Ruhe haben.«
    »Waaas? Sie ist im achten Monat? Das wusste ich ja gar nicht! Das ist ja wundervoll!«
    »Gabriella, bitte! Das bleibt unter uns, ja? Ich glaube, ich habe mich jetzt ein bisschen verquatscht, Sofia wollte nicht, dass irgendjemand von ihrer Schwangerschaft weiß, bevor das Baby auf der Welt ist.«
    »Von mir erfährt niemand etwas.«
    »Danke, Gabriella. Ich komme in den nächsten Tagen bei dir vorbei«, sagte er abschließend.
    Aber für Gabriella war das Thema noch nicht beendet.
    »Kann ich Sofia mal sprechen?«
    »Nein. Sie schläft.«
    »Dann rufe ich heute Abend nochmal an.«
    »Tu das. Ciao, Gabriella. Grüß Donato.« Damit legte er auf.
    »Ich schlafe nicht«, sagte eine leise Stimme. Jonathan drehte sich um. Sofia stand in der Tür. Ihre Unterlippe zitterte. »Ich hätte gern mit Gabriella gesprochen.«
    »Ein andermal, Liebes.« Er war erleichtert. Das, was sie ihm vorwarf, hörte sich nicht so an, als hätte sie auch mitbekommen, was er von der Schwangerschaft gesagt hatte.
    »Warum verleugnest du mich?«
    »Weil ich dich liebe, Schatz!«, flüsterte er. »Und wenn du mich auch liebst, dann hältst du dich im Moment ein bisschen zurück und verzichtest aufs Telefonieren. Eine Weile noch. Ist das so schlimm?«
    »Nein«, stotterte sie verwirrt.
    »Na also. Irgendwann wirst du alles verstehen. Für

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