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Der Menschenraeuber

Der Menschenraeuber

Titel: Der Menschenraeuber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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Zeit und können darüber reden.«
    Jana seufzte.
    »Wie wär’s, wenn wir das Haus umbauen?«
    Jana sah ihn aufmerksam mit großen Augen an.
    »Was hältst du davon, wenn wir an das Haus einen Ballettsaal anbauen? Nicht so groß wie im Theater, aber groß genug, dass bis zu zehn Personen trainieren können. Mit einer verspiegelten Rückwand und Glasfront zum Garten. Mit Stange, Spiegel, allem Drum und Dran und Parkettfußboden. Du machst eine Ballettschule auf, Jana! Die ehemalige Primaballerina gibt Unterricht! Das ist sensationell, Schatz! Die Leute werden dir die Bude einrennen und ihre Kinder anmelden, da kannst du dich gar nicht retten!«
    Jana sah ihn skeptisch an, sagte aber nichts.
    Jonathan redete sich in Rage, begeisterte sich selbst immer mehr für seine Idee. »Der Parkettfußboden ist klasse, falls du auch Stepptanz unterrichten willst. Du, der Saal wird ein Traum sein: mit einem herrlichen Blick in die Natur und immer licht-und sonnendurchf lutet. Gott sei Dank ist unser Grundstück groß genug. Bei schönem Wetter könnt ihr Gymnastik auch draußen auf der Wiese machen. Unser Magazin und die Garage bauen wir zu Dusch-und Umkleideräumen um, dazu zwei Toiletten. Das Studio kann man über den Seiteneingang betreten, wir halbieren unsere Diele und machen einen Empfangsraum mit kleinem Büro daraus. Du wirst fantastische Arbeitsbedingungen haben und kannst selbst bestimmen, wie viel, wie lange und wie oft du arbeitest. Und wenn sich herumspricht, dass die ehemalige Primaballerina der Deutschen Oper ein Ballettstudio eröffnet hat, hast du die Bude voll. Da bin ich ganz sicher.«
    »Das sagtest du schon.«
    »Ja. Aber da glaube ich wirklich dran! Jana, ich kenne einige Leute, von denen ich weiß, dass sie ihre Kinder liebend gern zur Ballettstunde geben würden, aber sie brauchen eine Empfehlung. Es wäre ideal! Und finanzierbar ist es auch. Wenn du willst, können wir die Angelegenheit gleich in Angriff nehmen.«
    Jana war völlig überrumpelt, aber ihre Augen leuchteten.
    »Ja«, sagte sie nach einer Weile leise, »ja, ja, ja, ja, ja.« Und sie lachte. »Ich finde es genial, Jon! Warum sind war da bloß nicht schon früher drauf gekommen?«
    »Das ist das Verfluchte im Leben«, meinte Jonathan, »dass einem die einfachsten Sachen immer zu spät oder gar nicht einfallen.«

SECHS
    Neun Schritte bis zur Badezimmertür ihrer Eltern, vor der Tür zwei Stufen. Dann drei Schritte, wieder eine Stufe auf ein kleines Podest, einen Schritt nach rechts zur Tür, zwei Stufen geradeaus bis zum Waschbecken, zwei weitere Schritte nach links bis zur Toilette. Sie zählte nicht mehr, bewegte sich vollkommen sicher im ganzen Haus, wusste immer genau, wo sie war. Sie durchquerte das Bad, ging ins Schrankzimmer, fünf Schritte nach links bis zur Treppe, dann dreizehn Stufen wieder mit einer leichten Linkskurve. Meist hielt sie sich noch automatisch am Geländer fest, obwohl es nicht nötig war. Gefallen war sie noch nie.
    Einen Moment hielt sie inne, der typische Geruch ihrer Mutter stieg ihr in die Nase, leicht säuerlich, wie in Essig getauchtes altes Wachs. Sie schlief also noch.
    Zwei Schritte, und sie stand vor dem Bett ihrer Mutter.
    »Mama«, sagte Sofia halblaut, »du musst aufstehen, es ist fast Mittag. Und du wolltest doch was kochen!«
    Ihre Mutter grunzte nur.
    Sofia beugte sich hinunter und tastete nach Amandas Schulter. Sie war unter der dicken Bettdecke, die Amanda bis unters Kinn hochgezogen hatte, völlig verschwunden. Sofia streifte die Nase ihrer Mutter, und Amanda drehte sich stöhnend um.
    »Los, komm, steh jetzt endlich auf!«
    Amanda öffnete die Augen. »Ja, is ja gut. Lass mich in Frieden. Ich komme gleich.«
    Durch den Luftzug spürte Sofia, dass Amanda sich die Decke völlig über den Kopf zog. Als sie vorsichtig tastete, waren auch die Haare ihrer Mutter unter der dicken Decke verschwunden.
    Sofia seufzte, stellte sich an das Fußende des Bettes, drehte sich um neunzig Grad nach rechts, verließ das Schlafzimmer und ging nach rechts quer durchs Wohnzimmer bis zur Küchentür, vier weitere Schritte nach rechts bis zu zwei ansteigenden Stufen und noch einmal vier Schritte geradeaus bis zum Herd, zwei Schritte nach rechts bis zum Kühlschrank und noch einmal zwei Schritte bis zum Küchenschrank, in dem sie im oberen Teil Geschirr und im unteren Vorräte aufbewahrten.
    Sofia war wütend. Wie so oft ließ ihre Mutter sie wieder mal im Stich, und wieder musste sie sich allein ums Essen kümmern.
    Im

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