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Der Menschenraeuber

Der Menschenraeuber

Titel: Der Menschenraeuber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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allerliebsten Papa, auf den sie jeden Tag sehnsüchtig, aber vergeblich wartet. Viel Spaß. Eins ist jedenfalls klar: Ich mach mich nicht länger zum Affen!«
    Das war deutlich. Jonathan hatte das Gefühl, im freien Fall in die Tiefe zu stürzen. Er blieb stumm, wartete auf den Aufprall und ließ einige Sekunden vergehen.
    »Das kannst du doch nicht machen, Jana!«
    »Und wie ich das kann!«
    »Giselle ist sieben. Sie wird das nicht verkraften. Kapierst du denn nicht, dass sie gar nicht weiß, was sie tut? Dass sie ihr Verhalten noch nicht reflektiert? Noch nicht reflektieren kann?«
    »Doch, natürlich!«, schrie Jana. »Hörst du mir denn nicht zu? Das weiß ich auch, dass sie noch nicht reflektieren kann, und genau das ist das Problem! Denn sie hat nur ein ganz einfaches Schwarz-Weiß-Schema im Kopf: Mama ist doof und Papa ist toll! Und das regt mich auf! Wir leben doch nicht mehr zusammen, Jon! Wir teilen doch den Alltag nicht mehr miteinander, so wie in anderen Familien, wo die Kinder von jedem Elternteil im Alltag positive und negative Dinge erfahren. Das ist mir gegenüber nicht nur ungerecht, sondern richtig gemein. Du machst mein ganzes Leben kaputt!«
    »Ach so. Jetzt bin ich es!« Allmählich wurde auch Jonathan wütend. »Du machst es dir sehr leicht, Jana, einfach mir alles in die Schuhe zu schieben, wenn du Probleme mit Giselle hast, nur weil ich meinen Job mache und dafür sorge, dass wir in diesem Haus leben können und uns keine Gedanken darüber machen müssen, was Marmelade, Wurst und Eier kosten.«
    »Sag mal, wo bin ich eigentlich?« Jana sprang auf, ging zum Fenster und riss die Gardine auseinander. »Du begreifst ja nichts! Gar nichts! Es stimmt vollkommen, was ich in irgendeiner Zeitung gelesen habe: Mit Männern kann man nicht reden!«
    »Ich weiß schon, was du meinst«, versuchte Jonathan nach einer endlosen und schmerzhaften Pause zu beschwichtigen, »es ist wahrscheinlich wirklich nicht zu vermeiden, dass ihr euch aneinander reibt, wenn ihr den ganzen Tag zusammen seid und wenn du versuchst, Konflikte zu lösen, und ihr alle möglichen Dinge verbietest. Darum ist sie eher sauer auf dich als auf mich. Aber das liegt in der Natur der Sache, und da kann ich nichts dafür, da kann Giselle nichts dafür und du auch nicht.«
    »Wie wunderbar du das Problem schon wieder analysiert hast! Ich bin beeindruckt«, zischte Jana und lächelte kalt. »Wenn keiner was dafür kann, dann ist es ja gut. Dann muss ich es eben hinnehmen. Wie schlechtes Wetter.«
    Dann stand sie auf, holte eine Packung Pralinen aus dem Küchenschrank, riss sie ungeduldig auf und stopfte sich zwei Stück auf einmal in den Mund.
    »Der Haken daran, mein Lieber«, sagte sie mit vollem Mund und konnte kaum sprechen, »ist nur, dass ich daran kaputtgehe. Ich leide wie ein Hund, während ihr beide euch glänzend verwirklicht. Du spielst hier in Berlin den großen Zampano, der jetzt auch schon den Bürgermeister duzt, und Giselle ist der erklärte Liebling ihres Klassenlehrers, endlich mal wieder ein besonderes Kind unter all diesen Idioten, ein kleines Mädchen, das es mittlerweile sogar schon schafft, weiße Schwäne auf weißes Papier zu zeichnen.«
    »Irgendwann wird sie vielleicht eine der größten Künstlerinnen des Landes sein, Jana, das musst du einfach sehen!«
    Ich war es! Ich war ein Genie, ich war eine der größten Künstlerinnen des Landes, ich, ich, ich! Und du hast das bereits völlig vergessen, dachte sie, schnappte nach Luft, und Tränen schossen ihr in die Augen.
    In diesem Moment tat Jana ihm unendlich leid. Jonathan wollte aufstehen und sie in den Arm nehmen, was er schon lange nicht mehr getan hatte, aber da ging sie schon aus der Küche, und er hörte nur noch, wie die Badezimmertür hinter ihr zuflog.
     
    Am nächsten Tag kaufte er fünfundzwanzig rote Rosen und eine Flasche Champagner. Zum Abendessen bereitete er einen Imbiss mit erlesenen Salaten vor, deckte liebevoll den Tisch und entzündete Kerzen.
    Es war deutlich, wie sehr Jana sich darüber freute.
    »Du musst wissen, dass ich dich liebe«, begann Jonathan beim Essen, »und ich werde alles, wirklich alles tun, um dich nicht zu verlieren.«
    Jana nickte.
    »Pass auf, Liebes, ich habe eine Idee. Ich hab viel nachgedacht und kann mir vorstellen, dass du hier irre wirst, den ganzen Tag allein und ohne deinen Beruf. Darum wollte ich dir etwas vorschlagen, was ich mir gerade erst überlegt habe. Es ist auch noch nicht ganz ausgegoren, aber wir haben ja

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