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Der Menschenraeuber

Der Menschenraeuber

Titel: Der Menschenraeuber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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Post durchsehen und den Anrufbeantworter abhören. Essen, was im Kühlschrank, in der Speisekammer oder im Keller war, außerdem freier Zugriff auf die Haushaltskasse im antiken Mehltopf mit Goldrand von Oma Hedwig im Gewürzregal ganz oben, falls er sich eine Pizza bestellen wollte.
    Auf gar keinen Fall eine Party feiern und nach Möglichkeit nicht zu viel Dreck hereintragen. Am besten – wie immer – im Flur die Schuhe ausziehen.
    »Bitte, auch wenn du allein bist und es keiner sieht, Tobi«, hatte Henning gesagt und war sich furchtbar dämlich und uralt dabei vorgekommen, »aber ein beigefarbener Teppichboden ist so eine liebe und hochempfindliche Sache. Würde uns freuen, okay?«
    Tobias hatte alles abgenickt, keine Einwände erhoben und die Liste der Hausmeisteraufgaben kommentarlos in Empfang genommen.
    Zum Abschied hatte er seinen Vater umarmt, seine Mutter geküsst und tief durchgeatmet, als das Auto seiner Eltern in Richtung Hamburg unterwegs und um die nächste Ecke verschwunden war.
    Dann begann er zu telefonieren und seine Kumpel fürs Wochenende zusammenzutrommeln. Es sollte eine riesige Party werden, eine, die die Welt noch nicht gesehen hatte.
    Im März hatte er die schriftlichen Abiklausuren geschrieben, im Mai wurde er in Geschichte und Mathe mündlich geprüft, Anfang Juni war alles vorbei. Er hatte sein Abi mit einem Durchschnitt von Eins-Komma-Sieben in der Tasche. Die darauf folgende Feier in der Aula, bei der der Direktor eine Rede hielt, der Schulchor sang und schließlich die Zeugnisse übergeben wurden, war in Tobias’ Augen einfach nur peinlich. Vielleicht ein Fest für die Eltern, er selbst war froh, als es überstanden war.
    Danach hatte es ein paar kleinere Feiern bei einigen Klassenkameraden gegeben, aber der große Wurf war nicht dabei, denn niemand hatte zu Hause wirklich sturmfreie Bude, so viel Platz und noch dazu einen Pool. Das Problem waren die Nachbarn, aber die würde er mit ein paar erlesenen Weinen aus dem Keller seines Vaters schon zum Schweigen bringen und davon abhalten, die Polizei zu rufen.
    Es gab eine Menge nachzuholen.
    Am Freitagnachmittag trudelten die Ersten ein, abends um neun war die Bude voll. Tobias hatte vor, bis Sonntagnacht oder auch bis Montagfrüh durchzufeiern. Seine Eltern wollten erst Montagabend zurück sein. Vom Haushaltsgeld hatte er einige Kästen Bier und Sekt gekauft, aber ansonsten alle gebeten, Getränke und auch etwas zum Essen mitzubringen. Da die wenigsten Lust hatten, sich mit Kästen abzueseln, brachten die meisten harte Sachen mit, und die Schnapsflaschen stapelten sich in der Küche. Absolute Mangelware waren Wasserflaschen, man empfand es als peinlich, mit Wasserkästen auf einer Party aufzukreuzen.
    Seit zwei Monaten hatte Tobias eine Freundin. Sie hieß Janina und ging in die elfte Klasse. Ihre Eltern lebten getrennt, und sie war für eine Woche zu ihrem Vater nach Stuttgart gefahren. Es war für Tobias unerträglich, dass diese Party ohne Janina stattfinden sollte, denn er hatte das Gefühl, es wäre das Fest seines Lebens. Vermutlich nie wieder würde ihm das Haus seiner Eltern so uneingeschränkt zur Verfügung stehen.
    Schließlich hatte Janina versprochen, am Samstagnachmittag mit dem Zug zurückzukommen, und Tobias wollte sie um sechzehn Uhr zwei am Bahnhof Zoo abholen.
    Die siebzehn Stunden bis zu ihrer Ankunft hielt er kaum noch aus. Eine ganze Woche ohne Janina war ihm so schwer gefallen, das hätte er sich früher niemals vorstellen können. Sie kannte das Haus seiner Eltern noch nicht, und er freute sich darauf, dass sie es kennenlernen und gleichzeitig diese Mega-Party erleben würde.
    Um Mitternacht dröhnte die Musik in unveränderter Lautstärke durch den Garten, ein Junge und ein Mädchen sprangen kreischend in ihren Sachen in den Pool. Tobias sah, dass bei den Nachbarn zur Linken alle Jalousien heruntergelassen waren, was ihn beruhigte, denn entweder waren sie gar nicht zu Hause oder sie versuchten, die Fete zu ignorieren und zu schlafen. Die Nachbarn zur Rechten machten bestimmt keinen Ärger, da zwei ihrer Söhne, Zwillinge, mit von der Partie waren.
    Gegen zwei wurde es ruhiger, denn kaum jemand konnte sich noch auf den Beinen halten. Tobias schleppte sich ins Wohnzimmer. Der Anrufbeantworter blinkte, das rote Lämpchen, das anzeigte, dass zwei Anrufe eingegangen waren, tanzte vor seinen Augen. Er zog den Stecker aus der Steckdose, da er das rote, rotierende Licht nicht ertragen konnte. Auf dem Weg zur

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