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Der Menschenraeuber

Der Menschenraeuber

Titel: Der Menschenraeuber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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schwarzen Golf, den ihm seine Eltern zum Abitur geschenkt hatten, und fuhr los.
    Es ging ihm gut. Er freute sich auf Janina, drehte das Autoradio lauter und bretterte mit neunzig Sachen den Hohenzollerndamm hinunter. Seine Finger klopften im Takt auf das Lenkrad, ab und zu sang er laut mit. Er hatte das Gefühl, auf diese Weise bis ans Ende der Welt fahren zu können.
    Er wurde schneller, weil er sich einbildete, Janina eher zu sehen, wenn er eher am Bahnhof Zoo war, überholte links und rechts, jauchzte laut. Noch nie hatte ihm Autofahren so viel Spaß gemacht. Mit quietschenden Reifen bog er in die Bleibtreustraße ein und donnerte die Straße entlang.
    Die rote Ampel an der Kreuzung Ecke Kantstraße sah er zu spät, im Bruchteil einer Sekunde überlegte er noch, was er machen sollte, dann drückte er voll aufs Gas, um über die Kreuzung zu schießen, vielleicht hatte er Glück, und es merkte keiner.
    Nur aus dem Augenwinkel sah er den weißen Lieferwagen auf sich zukommen. Er riss das Steuer herum, schleuderte, verlor völlig die Orientierung und die Kontrolle über den Wagen. Er bremste und lenkte wild, konnte jedoch nicht verhindern, dass er auf eine junge Frau zuschleuderte, die an der Ampel stand.
    Wie in Zeitlupe nahm er ihr Gesicht wahr, ihre vor Schreck weit aufgerissenen Augen, die schon vorausahnten, was gleich passieren würde. Aber sie rührte sich nicht, war wie gebannt von dem drohenden Unheil und hielt seinen Blick fest.
    Das Krachen, als er gegen sie donnerte, registrierte er ohrenbetäubend laut und dachte noch: Das kann nicht sein, das ist nicht wahr, es ist gar nichts passiert. Doch dann sah er sie wie eine Puppe durch die Luft fliegen.
    Wo sie aufprallte, wusste er nicht mehr, denn er drückte schon wieder aufs Gas, der Wagen kam zurück in die Spur, und er raste weiter. Auf dem Ernst-Reuter-Platz drehte er wie ein Irrer zwei Runden, brauste dann in die Franklinstraße und erinnerte sich daran, dass er hier erst vor kurzem die Führerscheinprüfung gemacht hatte.
    Er wollte nach Hause. Nur noch nach Hause.
    Es ist alles in Ordnung, dachte er, das ist alles nur ein böser Traum. Solche Alpträume bekommt man, wenn man betrunken ist.
     
    »Aber Sie haben sich dann letztendlich doch und aus freien Stücken der Polizei gestellt?«
    »Ja. Ich habe zuerst meinem Vater erzählt, was passiert ist, er ist dann sofort aus Hamburg gekommen, und als ich wieder einigermaßen denken, sprechen und laufen konnte, sind wir zusammen zur Polizei gegangen. Danach fühlte ich mich besser.«
    »Kommt es öfter vor, dass Sie sich derart betrinken? Am Wochenende? Mit Freunden? In einer Diskothek?«
    »Nein. Nie.« Tobias blickte zu Boden, als sei ihm diese Aussage fast unangenehm. »Vielleicht wird mir das niemand glauben, aber ich schwöre: Ich war bei diesem Fest zum ersten Mal richtig betrunken. Darum konnte ich auch nicht damit umgehen. Ich wusste gar nicht, wie mir geschah. Und ich habe seitdem nie wieder einen Tropfen angerührt.«
    »So schnell schwört es sich nicht. Auch nicht vor Gericht«, meinte Richter Kerner lächelnd. »Wie verbringen Sie denn Ihre Wochenenden?«
    »Mit Freunden, im Kino oder im Theater. Oder zu Hause, wenn ich viel zu arbeiten habe. Aber niemals in einer Diskothek. Da ist es mir zu voll und zu laut. Kein Mensch kann sich vernünftig unterhalten. Und die Musik ist auch nicht mein Geschmack.«
    So ordentlich, beinah strebermäßig wie Tobias Altmann in seinem Anzug aussah, konnte man ihm das ohne weiteres glauben.
    Jonathan saß zusammengesunken auf seinem Stuhl, den Kopf in die Hände gestützt, und die langen Haare hingen ihm ins Gesicht. Er wirkte verwahrlost, als hätte er die letzten Wochen unter einer Brücke geschlafen.
    Momentan sah er alle seine Felle davonschwimmen. Die Chance auf eine strenge Verurteilung schwand, so positiv präsentierte der Angeklagte sich. Auf keinen Fall wirkte er wie ein junger Mensch, der diesen Fehler wiederholen würde.
    Henning Altmanns Miene war unbeweglich und starr. Er nahm keinen Blickkontakt mit seinem Sohn auf, und sein Gesicht verriet in keiner Weise, was in ihm vorging. Aber Engelbert wusste, wie angespannt sein Freund war und dass sein ruhiges Verhalten nichts anderes war als kontrollierte Angst.
     
    Dr. Engelbert Kerner unterbrach die Verhandlung für eine kurze Mittagspause und kündigte die Fortsetzung des Prozesses um zwölf Uhr dreißig an.
    In seinem Arbeitszimmer trank er einen viertel Liter Mineralwasser und packte ein belegtes Brot

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