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Der Menschenraeuber

Der Menschenraeuber

Titel: Der Menschenraeuber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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in diesem Zustand Auto gefahren. So kam es zu dem schrecklichen Unfall mit tödlichem Ausgang.
    Allerdings konnte der Angeklagte im Verlauf des Prozesses eine Erinnerungslücke schließen und dem Gericht glaubhaft schildern, dass ein zirka zehnjähriger Junge auf die Fahrbahn rannte, weil er seinen Freund auf der anderen Straßenseite entdeckt hatte. Tobias Altmann musste gleichzeitig bremsen und ausweichen und verlor die Kontrolle über sein Fahrzeug. Das wäre möglicherweise auch einem nüchternen Fahrer passiert.
    Dieser Umstand mindert seine Schuld.
    Außerdem kann man dem jungen Mann vieles zugutehalten: Er war den Umgang mit Alkohol nicht gewohnt und wusste nicht, was dieser in seinem Körper und vor allem in seinem Kopf anrichten kann. Bei einem Blutalkoholwert von über 2,8 Promille war er nicht mehr zurechnungsfähig und somit auch deshalb nur bedingt schuldfähig. Das trifft ebenso für die Fahrerflucht zu. Den Fehler hat er ja dann anschließend sehr schnell eingesehen und korrigiert.
    Tobias Altmann ist geständig und zeigt echte und tiefe Reue. Er hat seitdem keinen Alkohol mehr getrunken. Eine Wiederholung oder ein ähnliches Vergehen ist bei seinem Charakter nicht zu befürchten.
    Für den Angeklagten spricht auch die Tatsache, dass er sich bei den Eltern des Opfers entschuldigt hat. Dieses Verhalten hat ebenfalls zu dem milden Urteil beigetragen. Das Gericht möchte ihm die Chance lassen, ein verantwortungsvolles Leben zu führen und sich eine erfolgreiche Zukunft innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft aufzubauen.
    Überdies ist das Gericht zu der Überzeugung gekommen, dass es weder dem Opfer noch den Hinterbliebenen etwas nützt, wenn Tobias Altmann eine Freiheitsstrafe erhielte, die als Vorstrafe seiner Karriere ein Leben lang im Wege stünde. Daher ist das Gericht unter dem geforderten Strafmaß der Staatsanwaltschaft geblieben.
    Die Verhandlung ist hiermit geschlossen.«
     
    Dr. Engelbert Kerner sah noch, dass der Anflug eines Lächelns über das Gesicht seines Freundes Henning Altmann huschte, als er den Sitzungssaal verließ, aber er hütete sich davor, es zu erwidern.
     
    Auf dem Gerichtsflur traf Dr.Kerner mit Dr. Binder zusammen.
    »Dieses Urteil ist ein Affront gegen die Staatsanwaltschaft und kostet dich eine Revanche«, sagte der Staatsanwalt grinsend. »Wie wär’s am Samstag um zehn auf dem Golfplatz?«
    »Gerne.« Dr. Kerner grinste ebenfalls.
    Sie schlugen sich kurz freundschaftlich auf die Schulter und gingen dann in unterschiedlichen Richtungen eilig davon.
     
    Jonathan Jessen stand schwerfällig auf und wirkte wie paralysiert. Der Mörder seiner Tochter war im Grunde ungeschoren davongekommen. Es gab keine Gerechtigkeit mehr in diesem Land.
    Er schleppte sich hinaus wie ein alter, gebrochener Mann und wusste nicht, wohin mit seinem Hass.

ZEHN
    Toskana, 16. 12. 2001

    Am dritten Advent herrschte strahlend schönes Wetter. An Schnee war nicht zu denken, auch nicht auf fast sechshundert Metern Höhe. Der Himmel war tiefblau, das vom Morgentau feuchte Gras glitzerte in der Sonne, und im Tal lag der Nebel wie eine flauschige dicke Decke.
    Jonathan hatte Frühlingsgefühle und nicht die geringste Vorweihnachtsstimmung.
    Seit beinah zwei Monaten wohnte er jetzt in der kleinen Ferienwohnung der Valentinis und hatte die Zeit fast ausschließlich damit verbracht, Italienisch zu lernen. Sofia war eine talentierte und geduldige Lehrerin, und Jonathan hatte mittlerweile so viel gelernt, dass er in der Lage war, sich mit Amanda und Riccardo in einfachen Sätzen zu verständigen und das meiste zu verstehen, was sie sagten. Mit Sofia sprach er weiterhin fast immer deutsch, da sie ihn auf Deutsch wesentlich besser verstand als er sie auf Italienisch.
    »Machen wir einen Adventsspaziergang?«, fragte er sie nach dem Frühstück. »Heute ist Sonntag, heute fällt der Unterricht aus.«
    Sie nickte, und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.
    Die arme Amanda schlief noch, Riccardo war nach Bucine gefahren, um Ugo beim Reparieren seines Treckers zu helfen, und sie gingen langsam los.
    Bis sie zur Schlucht kamen, wo sich der Weg gabelte, schwiegen sie. Linker Hand war das Maisfeld, das jetzt brach lag und mit Unkraut überzogen war.
    Sie umrundeten den Berg, und Jonathan war wie jedes Mal von dem atemberaubenden Rundumblick überwältigt. Hier in der Höhe war es ein strahlender, sonniger Tag, aber im Tal waren Orte, Wiesen und Straßen wie so oft von Nebel bedeckt.
    »Wie an meinem allerersten

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