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Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman

Titel: Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elsebeth Egholm
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wollendes |425| schwarzes Loch, und ihrem Selbsthass, der ihr wie ein Schatten folgte?
    Sie dachte an die Schwäne. Er hatte ihr auch die Augenbinde abgenommen, doch sie konnte trotzdem kaum etwas sehen. Sie erahnte die Löcher, die er in den Deckel gebohrt hatte, damit sie Luft bekam, und träumte von den Schwänen, ihrem Geschnatter und ihrem Flügelschlag. Ein Traum von Freiheit.

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    Kapitel 68
    Die Gestalt bewegte sich durch die Dunkelheit.
    Dicte saß mucksmäuschenstill und sah zu, wie der Schatten rastlos über den Friedhof eilte, groß, dünn und vornübergebeugt. Sie dachte an den Fährmann Charon. Und an den Tod in Gestalt eines Sensenmannes, der kam, um seine Ernte einzuholen. Die Menschen hatten dem Tod schon seit jeher eine Gestalt und ein Gesicht gegeben: Sie sah ihn auf einem weißen Pferd reiten; stellte ihn sich als Skelett vor und als Mensch, aus dessen Körper die Eingeweide hervorquollen, so, wie er auf mittelalterlichen Gemälden dargestellt wurde. Vielleicht betrachtete dieser Mann sich selbst so – als derjenige, der erntet, was ihm zusteht.
    Schließlich fand er, was er suchte, frische Blumen und Bänder. Er kniete sich nieder, um die Abschiedsgrüße zu lesen. Der Regen peitschte nun immer heftiger. Das Gewitter war näher gerückt, Thor schmetterte seinen Hammer mit einem Donnerhall über das Himmelsgewölbe, und kurz darauf zerriss der Blitz die Wolkendecke.
    Im Schutz eines lauten Donnergrollens stand sie vorsichtig auf und schlich hinter der Friedhofsbepflanzung entlang, während er mit dem Rücken zu ihr stand. Sie stieg über die bewachsenen Gräber hinweg, um dem Kies auszuweichen und jedes |426| kleinste Geräusch zu vermeiden, bis sie den Parkplatz erreichte, wo sein schwarzer Lieferwagen parkte.
    Ihr eigenes Auto stand in einer nahe gelegenen Seitenstraße. Sie hatte die Vor- und Nachteile genau abgewogen, aber das Risiko erschien ihr zu groß. Sie glaubte nicht, dass sie ihm schnell genug folgen konnte, wenn er erst einmal losgefahren war. Ihr blieb nur eine Möglichkeit, die sie so oft im Kopf durchgegangen war, dass sie es schon nicht mehr zählen konnte. Sie war nicht glücklich damit, war aber zu dem Schluss gekommen, dass es die einzige Möglichkeit war.
    Sie tastete ihre Taschen ab. Sie hatte alles dabei: die Messer, das Handy, die Taschenlampe. Dennoch konnte es schiefgehen, auf fatale Weise scheitern, aber sie verdrängte den Gedanken daran.
    Sie konnte Peter Boutrup nicht retten, sie war als Spenderin »ungeeignet«. Dieses Wort tauchte immer noch in ihrem Inneren auf und kratzte an ihrem Selbstbewusstsein. Sie konnte keine Niere spenden, selbst wenn sie es gewollt hätte. Aber dies hier, das konnte sie tun.
    Sie griff nach der Schiebetür des Lieferwagens und schob sie zur Seite. Drinnen war es dunkel, zuerst konnte sie rein gar nichts erkennen. Schnell sprang sie in den Wagen und stieß dabei gegen etwas, das sich anfühlte und roch wie ein Sack mit Werkzeug. Dann wäre sie fast über etwas gestolpert, das sie beim Betasten als eine Art Schiene identifizierte. Sie fühlte genauer nach. Auf der Schiene stand ein Gestell, nein, etwas anderes. Ihre Hände fühlten etwas weiches, eine Decke? Etwas, das an eine Matratze erinnerte. Ein Bett. Er transportierte in seinem Wagen ein Bett, das auf einer Schiene stand. Es gab auch Gurte zum Festspannen.
    Dann begriff sie. Das Auto war wie ein Krankenwagen eingerichtet. Die Bahre konnte problemlos mit der Kraft eines einzigen Mannes hineingeschoben werden. Sie vermutete, dass er die Toten auf diese Weise transportierte. Auf Schienen. Sie stellte sich vor, wie erst Mette Mortensen und dann Kiki Laursen hier |427| gelegen hatten, halb bewusstlos, eventuell mit Flunitrazepam betäubt, und ihrem Schicksal entgegengefahren waren.
    Sie setzte sich auf den Boden, lehnte ihren Kopf an die Kante der Bahre und wartete.

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    Kapitel 69
    John Wagner sah auf die Uhr. Es war bereits halb elf, und ein unbehagliches Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte, breitete sich von seinem Magen her im ganzen Körper aus, während er im Auto wartete, als Koordinator eines Einsatzes, bei dem sie fünf Orte gleichzeitig stürmen würden. Eine schöne Sache. Er dachte kurz, dass es eigentlich nicht schlecht wäre, noch einmal einen solchen Anfall zu erleiden, wie er ihn im Bad gehabt hatte. Der Gedanke daran wurde kurz darauf von Adrenalinstößen vertrieben, als der Leiter der einen Einsatzgruppe durch den schnarrenden Sprechfunk mitteilte,

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