Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman
dass sie sich nun im Gebäude befänden.
»Jetzt geh ich verdammt noch mal gleich raus«, rief Bo Skytte vom Rücksitz, wo man ihm und der Journalistin befohlen hatte, zu warten, bis ein anderslautendes Signal erteilt wurde.
»Du wirst nirgendwohin gehen«, antwortete Wagner. »So lautet die Abmachung. Ihr tut, was man euch sagt.«
Bo murmelte etwas Unverschämtes, das Wagner geflissentlich überhörte. In Erwartung des großen Ereignisses waren die Nerven aller bis zum Zerreißen gespannt.
Jetzt kam noch eine Meldung herein. Sie stammte von den Jungs, die zu Claes Bülows Privatadresse in Skåde Bakker geschickt worden waren.
»Wir waren drin, aber es war niemand zu Hause«, lautete die Nachricht des Leiters dieser Einsatzgruppe. »Alles ist wie leergefegt.«
|428| Wagner seufzte und dankte ihm. Damit hatte er beinahe gerechnet. Sie waren zu spät gekommen, Claes Bülow befand sich sicherlich schon mit seiner Familie in ihrem Haus in Malaga. Dort würde er lange ausharren, und die spanischen Behörden würden sich weigern, ihn auszuliefern. So war das mit den Hintermännern, die meisten wurden nie geschnappt.
Er stieß einen Seufzer aus in die stickige Luft des Wageninneren.
Es hatte sie schlichtweg zu viel Zeit gekostet, das Ganze zu organisieren; insbesondere die Suche nach einem Richter, der sich bereit erklärte, den Einsatz zu genehmigen, hatte sich in die Länge gezogen. Wo waren die Beweise? Das alles seien doch lediglich Indizien, hieß es. Bis Wagner buchstäblich auf den Tisch gehauen und verdeutlicht hatte, dass Kiki Laursen noch am Leben sein und sich in diesem Fall nur zu gut an einem dieser Orte befinden könnte.
»Hast du etwas von deiner Freundin gehört?«, fragte er über seine Schulter hinweg Bo, der mit einem unzufriedenen Grunzen antwortete.
»Hab schon unzählige SMS geschickt, aber sie antwortet nicht. Was allerdings auch nicht besonders ungewöhnlich ist«, sagte er mürrisch.
»Aber zur Beerdigung ist sie erschienen?«
Jan Hansen auf dem Beifahrersitz nickte.
»Als wir wegfuhren, war sie noch da.«
»Weißt du, wo sie gerade steckt?«, fragte Wagner Bo.
»Nein. Aber inzwischen ist mir das auch ziemlich egal«, behauptete Bo, der allerdings alles andere als gleichgültig klang.
»Wer weiß, was die wieder vorhat«, sagte Hansen in die folgende Stille hinein und sprach damit die Gedanken der anderen aus.
Doch für große Überlegungen blieb keine Zeit, denn schon erreichte sie die nächste Nachricht. Bei Kim Deleurans Privatadresse im ersten Stock im Trøjborgvej war ebenfalls niemand zu Hause. Überhaupt machte die Wohnung nicht den Eindruck, |429| als habe in den letzten Tagen dort jemand gewohnt. An seinem Arbeitsplatz im Krankenhaus war er ebenfalls schon seit längerem nicht mehr aufgetaucht.
»Tja, das war wohl ein Schuss in den Ofen«, stellte Wagner fest. »Wo zum Teufel kann er nur stecken?«
Das Funkgerät knackte erneut. Man konnte Bruchstücke von Stimmen erahnen, die nur schwer zu deuten waren. Dann hörten sie ein Geräusch, bei dem sie sich schlagartig in ihren Sitzen aufrichteten: Zwei Schüsse hallten kurz hintereinander, dann folgte die verdutzte Stimme des Einsatzleiters:
»Wir werden gerade beschossen.«
»Wo seid ihr? Und wie viele sind es?«
»Im Keller. Scheinen mehrere zu sein«, ließ er kurz verlauten. »Wir erwidern das Feuer.«
Wagner erteilte ihnen die Erlaubnis, und kurze Zeit später drangen weitere Schüsse und etwas, das wie ein Nahkampf klang, durch den Lautsprecher. Auf einer anderen Frequenz wurde gerade mitgeteilt, dass fünf Beamte in die Privatwohnung von Bestatter Marius Jørgensen in Viby eingedrungen waren und ihn und seinen Sohn festgenommen hatten. Die Wohnung wurde versiegelt, und auch das Geschäft in der Vestergade wurde bewacht, damit die Spurensicherung am nächsten Morgen ihre Arbeit aufnehmen konnte.
Wagner kniff die Augen zusammen und sah zum Gebäude von StemBank hinüber, das nun in gleißendes Licht getaucht war. Er sprach über Mikro mit dem Einsatzleiter.
»Braucht ihr Verstärkung?«
Es blieb einige Sekunden still, in denen sich seine Gedanken wild in alle Richtungen verzweigten und schließlich auch die tiefen schwarzen Löcher erreichten, die den Nährboden für alle düsteren Vorahnungen eines Polizisten bildeten. Was wäre, wenn es aufseiten der Polizei Verluste zu beklagen gäbe? Hatte er die richtige Entscheidung getroffen?
Unmittelbar darauf folgte der hartnäckige Verdacht, dass Kiki Laursen sich noch
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