Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman
uns noch dazu vor, dass sie den dünnen Mann vielleicht bei StemBank hat aufkreuzen sehen und er dabei eventuell ein wenig zu laut über den Organhandel gesprochen hat.«
Wagner starrte auf die Ausdrucke. Die Zahlen sprachen für sich.
»In jedem Fall haben sie miteinander Geschäfte gemacht, was an sich schon verdächtig ist«, stellte er fest.
»Welche Leistungen erwirbt eine Stammzellenbank von einem Bestattungsunternehmen?«
Ivar K hatte schnell eine Antwort parat: »Menschliches Gewebe. Das Marius Jørgensen in Kooperation mit unserem großen, dünnen Mann erwirbt, und mit Arne Bay und Konsorten natürlich.«
Wagner stand auf.
|418| »In Ordnung, das muss reichen, um Claes Bülow wieder ins Spiel zu bringen und einen Durchsuchungsbefehl für die neue Tiefkühlanlage von der StemBank zu erhalten. Ich bin gespannt, was wir dort finden werden.«
Ivar K lächelte Jan Hansen verdächtig wohlwollend an.
»Sei froh, dass ihr gar nicht erst so weit gekommen seid, du und deine Frau. Wer weiß, vielleicht wäre eure Nabelschnur dann einem polnischen Schweinebauern als Herzklappe eingesetzt worden.«
Wagners Handy klingelte. Es war ein Wachhabender, der ihm mitteilte, dass Dicte Svendsen unten auf ihn wartete.
»Ich hab jetzt keine Zeit. Sie soll später einfach anrufen«, antwortete er.
Aus dem Telefon drang aufgeregtes Stimmengewirr, und plötzlich war Dicte Svendsen deutlich zu vernehmen.
»Lass mich zu dir. Es ist wichtig!«
Er sah die anderen an und seufzte.
»Okay. Ich hol dich am Aufzug ab.«
Für einen Moment schoss ihm der Gedanke durch den Kopf, dass sie gerannt sein musste. Ihr Haar war durcheinander, und sie atmete schwer. Erst später wurde ihm klar, dass sie lediglich erregt war – wie ein Jagdhund, der gerade eine Fährte aufgenommen hatte.
»Ich habe ihn! Ich weiß, wie er heißt.«
Das wiederholte sie, als sie im Besprechungsraum angekommen waren.
»Wer?«, fragte Ivar K.
»Euer großer, dünner Mann. Ich kenne seinen Namen«, wiederholte sie.
Alle hielten voller Erwartung den Atem an. Nur Wagner wusste bereits, was jetzt folgte.
»Die Krimiredaktion bekommt die Geschichte, okay? Wenn eure Einsatztruppe ausrückt, sind wir mit einem Fotografen und einem Reporter dabei, einverstanden? Ist das abgemacht?«
|419| Den anderen fielen die Kinnladen herunter. Wagner wollte schon zu einer Erklärung darüber ansetzen, dass sie Dicte auch verhaften könnten wegen der Zurückhaltung von ermittlungsrelevanten Informationen. Aber das wäre zu zeitraubend und führte zu nichts.
Er seufzte.
»Nun rück schon raus damit.«
»Also haben wir einen Deal?«
Sie sah Jeanne d’Arc verdammt ähnlich, wie sie dort stand: kampfbereit bis in die Zehenspitzen, bewaffnet mit Argumenten über die Pressefreiheit, die Medien als vierte Staatsmacht und ihrem »Dich-kriege-ich-noch«-Ausdruck. Er kannte diese Mischung und musste sich ein Lächeln verkneifen, das nur sie bemerkte, doch sie ignorierte es gnädig, damit ihr Triumph nicht zu offensichtlich wurde.
»Deal«, antwortete er. »Du lässt uns ja keine andere Wahl. Ich hoffe, du schüttelst diesmal etwas Gutes aus dem Ärmel, nicht nur die üblichen ollen Kamellen.«
Sie überhörte seine Beleidigung und zog einen Stuhl heran.
»Er heißt Kim Deleuran. Und ist im Krankenhaus dafür zuständig, die Leichen zu überführen. Er ist der Stiefbruder von Arne Bay. Außerdem ist er in der linksextremen Szene aktiv, hat zwei Jahre lang Medizin studiert und kennt sich daher auf dem Gebiet der Anatomie aus.«
Sie fuhr fort. Die Puzzleteile fügten sich nach und nach zu einem Ganzen zusammen. Alle Teile schienen nun an ihrem Platz: der Leichenträger, der Bestatter, die StemBank und Bay mit seinen politischen Mitstreitern, die die Ware außer Landes brachten.
»Aber ein Detail fehlt noch«, sagte sie und sah ihn an. »Die Lagerung. Wisst ihr was darüber?«
Er stand in ihrer Schuld, das wusste er nur zu gut. Wagner holte tief Luft. Vielleicht würden die anderen es ihm als Schwäche auslegen, wenn er zu viele Gegenleistungen erbrachte, aber die Entscheidung lag bei ihm, und so traf er sie schließlich auch.
|420| »Hast du schon mal von einer Firma namens StemBank gehört?«, fragte er.
Sie nickte langsam, während er von Claes Bülow und Mette Mortensens Scheinrechnungen berichtete.
Nachdem sie gegangen war, dachte er über Ulrik Storck und dessen Bemerkung nach, dass die Welt »so nicht war«. Nein, sie war es tatsächlich nicht. In Wirklichkeit war
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