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Der Menschenspieler

Der Menschenspieler

Titel: Der Menschenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Lavender
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so anders als ihr Sohn. Ihr Ehemann war da bereits gestorben. Aber damals war das alles egal. Wir wollten nur das Kind loswerden.«
    Bern begleitete sie nach draußen. Während sie neben dem Arzt den Flur entlangging, dachte sie nach über das, was er gesagt hatte. Sie dachte an den Rorschachtest, an die Fotos, die sie von den Opfern in Dumant gesehen hatte, an das Wort, das Bern benutzt hatte: Grausamkeit . Aldiss hatte gewollt, dass sie diese Dinge über Charlie erfahren. Er hatte gewollt, dass sie eine Verbindung zwischen dem gestörten Mann und den Morden in Dumant zogen.
    »Das Wort«, sagte Bern jetzt. Sie waren am Ausgang, und draußen wurde der Himmel dunkel. Nun waren sie dem Ende nah.
    »Was war es, Doktor?«, fragte Keller.
    Bern sah sie mit solcher Intensität an, dass Alex schauderte. Er wollte sie warnen.
    »›Daddy‹«, sagte Bern. »Nur dieses eine Wort, das einzige, das Charlie Rutherford je gesagt hat. Er hat ›Daddy‹ gesagt.«

Alex
    Gegenwart
    44
    Aldiss war hier. Er war irgendwie in das Haus gelangt. Er hatte Frank Marsden getötet, und jetzt war Keller in Gefahr. Sie fühlte sich schutzlos, ganz allein in der pulsierenden Leere, angesichts der leeren Drahtschlaufe. Sonst war alles dunkel.
    Sie machte einen Schritt nach vorn. Noch einen. Und wo waren die anderen? Warum waren Black oder Christian Kane nicht in diesen Flügel gekommen, um nach ihr zu sehen, sie zu retten? Warum …
    Dann war da ein Geräusch, ein Ticken in der Schwärze.
    Alex erstarrte. Es war vom anderen Ende des Flurs gekommen, hinter Kellers Zimmer.
    Angst stieg in ihr auf, zwang sie, sich zu bewegen. Einen Schritt, dann noch einen – sie musste ans andere Ende des Korridors gelangen. Dort befand sich der nächste Ausgang, keine acht Meter entfernt.
    Noch ein Schritt. Sie war jetzt neben dem Fenster, an dem Frank gestanden hatte. An der Wand befanden sich Blutspritzer, und da war noch etwas – schwere Spuren auf dem Flurteppich. Eine schwarze Gleitspur aus Blut schwang sich von ihr weg, als wäre Frank weggezogen worden.
    Alex zwang sich, ihren Blick von dem Fleck abzuwenden. Ging weiter.
    Sie ging schnell auf die Treppe zu, dachte: Er könnte jetzt im Moment unten sein. Er könnte sich in jedem Stockwerk dieses Hauses befinden und auf mich warten . Sie stellte sich Aldiss’ Gesicht vor, das groteske Lächeln, das sie in der Dunkelheit begrüßte.
    Sie ging sofort nach unten. Nahm immer zwei Stufen auf einmal und bog um die Ecken, dabei wand sie ihren Körper um das Geländer und zog sich …
    Nach draußen. Raus in die Kälte, wo der Wind ihre Angst wegblies.
    Mehrere Menschen standen auf dem Rasen vor dem Haus, versammelt um irgendetwas, das auf dem Boden lag. Ein Haufen, in Form eines Menschen. Ein Gedanke schrie in Alex’ Kopf: Nein. Nicht Keller. Nicht Keller.
    Zaghaft ging sie darauf zu und sah nach unten.
    Es war Frank. Jemand versuchte, ihn wiederzubeleben. Andere schrien, deuteten auf eine Reihe dunkler Bäume hundert Meter vom Haus des Dekans entfernt. Sie sah Black, der wild gestikulierte und irgendwelche Anweisungen gab. Sein Blick fiel auf sie.
    »Shipley«, sagte er. »Was zum Teufel ist da oben passiert?«
    »Ich … ich weiß nicht …«
    »Wir haben jemanden weglaufen sehen«, fuhr Black fort. »Jemand kam aus dem Haus, legte Marsden ab, und dann lief er fort in Richtung Campus.«
    »Keller«, sagte Alex. Er musste hinter Aldiss her sein.
    Blacks Augen blitzten im Halbdunkel auf. Dann bewegte sich etwas auf dem Boden, und der Sanitäter, der an Marsden gearbeitet hatte, rief: »Ich habe einen Puls!«
    Der Detective drehte sich um. Die anderen in der Gruppe sahen alle nach unten auf den Mann, der immer noch Blut hustete und die Hände ausstreckte. Alex sah Lucy Wiggins, sie hockte neben ihm. »Erzähl mir, was passiert ist, Baby«, sagte sie. »Bitte erzähl’s mir.«
    Black machte einen Schritt auf den sterbenden Mann zu. Ein verwegener Gedanke brannte in Alex’ Kopf: Hau ab. Sofort.
    Black machte noch einen Schritt – und Alex rannte los wie der Teufel in Richtung Campus.
    Keller hinterher.

Iowa
    1994
    45
    Nacht.
    Zurück im Hotel redeten sie nicht. Weder über Charlie Rutherford oder über Shining City noch darüber, was das alles zu bedeuten hatte. Dafür war später noch Zeit. Keller schaltete die Lampe aus, und sie lagen zusammen in der Dunkelheit. Schließlich, ihre Stimme suchte ihn, sagte sie: »Ich habe Angst.«
    Sie spürte seinen Blick. Spürte seine Berührung. Sie schloss die

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