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Der Menschenspieler

Der Menschenspieler

Titel: Der Menschenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Lavender
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zurück. Sie musste zurück zu Keller, um zu schauen, ob sie ihm mit Frank ( er ist tot, Alex; du hast seine Augen gesehen ) helfen könnte. Sprintend bog sie um die Ecke und sah in den Flur.
    Nichts.
    Der Draht hing da, locker wie eine Liane.
    Keller und der Tote waren fort.

Iowa
    1994
    43
    Aldiss hatte sie ans Ende der Welt geführt.
    Shining City war eine Irrenanstalt aus einer anderen Zeit: gotische Fassade, schwarz-schattige Traufen, ein Türmchen, das wie ein böses Omen anonym aus der Seite ragte. Es passte nicht in dieses kahle Land – aber passten die Studenten nicht genauso wenig hierher? Nichts passt hierher , dachte Alex, als sie das Sicherheitstor passierten und sich dem Gebäude näherten. Vor allem wir nicht.
    Ein tristes, schwarz angelaufenes Schild verkündete den Namen: SHINING CITY , HEIM FÜR VERHALTENSGESTÖRTE JUNGEN , GEGR . 1957. Die beiden standen vor dem Eingang, zögerten hineinzugehen; vielleicht warteten sie auf ein Zeichen, das erklären würde, warum sie hier waren.
    Weil wir Fallows finden müssen. Weil Aldiss unschuldig ist. Weil die beiden Rätsel ein und dasselbe sind.
    Der Ort war trostlos. Ein paar Pfleger kamen und gingen im Foyer, sonst war es still. Keine manischen Patienten, keine herumwandernden Wahnsinnigen, das Heim war in den Siebzigern stehen geblieben. Sogar die Tapete war verschlissen, veraltet, ihr Regenbogenmuster strahlte eine Art von Fröhlichkeit aus, die hier völlig fehl am Platz war.
    Alex ging blind drauflos. Und doch folgte Keller ihr einen langen antiseptischen Korridor entlang in einen weiteren, der genauso aussah. Sie hörte, wie er sagte: »Ich bin mir hierbei nicht sicher, Alex.« Die Unsicherheit in seiner Stimme drängte sie nur dazu, ihm das Gegenteil zu beweisen. Sie war sich auch nicht sicher, und der Gedanke machte sie wütend. Falls sie einen Fehler machten, falls Aldiss sie nicht hierher hatte schicken wollen, dann gab es kein anderes Ziel mehr. Morgen säßen sie schon wieder in einem Flugzeug, zurück zum Jasper College, und der Abendkurs wäre vorbei.
    »Kann ich Ihnen helfen?«
    Sie drehte sich um. Die Frau, die gesprochen hatte, stand ein paar Meter von ihnen entfernt und hatte einen Stapel Ordner im Arm. Sie trug flache Schuhe und einen weißen Kittel. Eine Ärztin.
    »Wir suchen nach jemandem«, sagte Alex. »Einem Arzt, der hier einmal gearbeitet hat. Vielleicht tut er das immer noch.«
    »Es sind nicht mehr viele Ärzte übrig«, sagte die Frau. »Sie schließen die Anstalt, und wir verlegen gerade die Patienten in ein Heim in Des Moines. Wie heißt er denn?«
    »Morrow«, sagte Alex. »Sein Name ist Dr. Morrow.«
    »Sagt mir nichts«, sagte sie. »Aber ich bin auch erst seit zwei Monaten in Shining City. Lassen Sie mich jemanden fragen, der es wissen könnte. Warten Sie hier.« Sie deutete auf eine dunkle Lobby.
    Alex setzte sich auf einen dieser steifen Stühle, die man nur in Krankenhäusern findet. Sie bot Keller den Stuhl neben sich an, aber er machte eine abweisende Handbewegung, als würde er lieber stehen. Dann merkte sie, warum: Der Plastikstuhl war zu klein für ihn. Alex lächelte unwillkürlich.
    Zwei Minuten später stand ein schmaler grauhaariger Mann in der Tür. Er sah müde aus, als wäre das sein letzter Termin des Tages. Er betrachtete die Studenten misstrauisch und sagte: »Terese hat gesagt, dass Sie mir ein paar Fragen stellen wollen?«
    »Dr. Morrow?«, fragte Alex.
    »Nein«, sagte der Mann, und ein zögerliches Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus. »Mein Name ist Allen Bern. Ich habe unter Morrow mein Praktikum gemacht. Er ist 91 gestorben.«
    Ihr Herz stockte. Sie kamen zu spät.
    »Aber vielleicht kann ich Ihnen helfen?«
    »Wir sind wegen eines Patienten von Dr. Morrow hier«, warf Keller ein. »Er war damals sehr jung, ein Junge. Er war nur kurz in Shining City. Aber wir glauben, dass Dr. Morrow einen großen Einfluss auf ihn gehabt hat. Sein Name war Charles Rutherford jun.«
    Die Augen des Mannes zuckten. Er wusste etwas.
    »Es … es tut mir leid«, sagte er. »Ich muss jetzt gehen. Ich möchte nicht …«
    »Bitte, Dr. Bern«, sagte Alex. Sie hörte ihre eigene Verzweiflung und bemühte sich nicht, sie zu verbergen. »Wir sind von so weit her gekommen, und wir brauchen nur ein paar Antworten. Falls Sie etwas über diesen Patienten wissen, irgendetwas, dann …«
    »Er hat gelogen, als er so getan hat, als könne er nicht sprechen.«
    Alex blinzelte. »Wie bitte?«
    »Ich habe Morrow über die

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