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Der Menschenspieler

Der Menschenspieler

Titel: Der Menschenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Lavender
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Keller sich hin. Er sah zu ihr hoch, sie stand zögernd neben dem Bett, und er sagte: »Es ist in Ordnung. Ich beiße nicht.« Sie legte sich neben ihn. Normal , dachte sie. Es ist, als wäre all das normal.
    Eine Weile sprach keiner von ihnen. Schließlich sagte sie: »So. Wir haben es nach Iowa geschafft.«
    »Das haben wir«, wiederholte er. »Was jetzt?«
    Alex starrte die Decke an. Sie hatte immer von Jasper fortkommen, irgendwo eine neue Identität annehmen wollen. Ein neues Leben. Dass sie in Harvard akzeptiert worden war, war eine Art Versprechen: dass sie bald dort wegkäme, ungebunden und ganz auf sich allein gestellt. Aber jetzt konnte sie die Überzeugung, dass sie einen Fehler machten, dass sie in eine von Aldiss’ Fallen liefen, nicht abschütteln.
    »Alex?«
    Sie drehte sich um. Das letzte Sonnenlicht drang durch die Vorhänge und fiel auf sein Gesicht. Sie wollte ihn festhalten, wollte ihn packen und sich von seiner Stärke aus den Tiefen ihrer Angst ziehen lassen. Aber dafür wäre später Zeit. Nun war sie erschöpft vom Flug, und sie hatten etwas zu erledigen.
    »Jetzt«, sagte sie, »haben wir zwei Tage Zeit. Zwei Tage bis zu unserem Rückflug und dem Ende des Kurses. Zwei Tage, um Fallows zu finden.«

Alex
    Gegenwart
    28
    Dekan Anthony Rice gehörte zu der Sorte Mann, die den Makel der menschlichen Dummheit nicht tolerieren konnte. Stets außer Atem, mit rotem Gesicht und zwanzig Kilo Übergewicht, sah er mehr wie ein Buchhalter einer provinziellen Wirtschaftsprüfungsfirma aus als ein Professor für tote Sprachen.
    Am Freitagnachmittag, als die ehemaligen Studenten des Abendkurses in einem Zimmer oben in Fisks Haus eingeschlossen waren, lief er in seinem Büro im ersten Stock des Towers hin und her. Er hatte seine Tabletten fürs Herz, den Blutdruck und seine Antidepressiva genommen. Eine halb geschälte Banane vergammelte auf dem Walnussschreibtisch. Das Licht einer Lampe schien darauf und beleuchtete eine Ausgabe von Paul Fallows’ Roman Die goldene Stille . Der Rücken des Buchs war gebrochen, und Rice hatte den Text mit hundert pinkfarbenen Post-it-Zetteln voller unverständlicher Notizen übersät. Auf dem Fußboden lagen ein Kissen und eine Decke, auf denen er letzte Nacht geschlafen hatte.
    Rice spürte es. Die plötzliche Wut über seine Zwangslage.
    Das Problem war, Shipley aus Harvard herzuholen. Das war Detective Bradley Blacks Idee gewesen. Sie war vielleicht vor fünfzehn Jahren eine Kultheldin des Colleges gewesen, aber nicht alle Kulthelden sollten gefeiert werden. An einige – er dachte da vor allem an den alten Richard Aldiss – erinnerte man sich nur wegen ihrer Fehler. Und Shipley hatte während des Abendkurses eine Menge Fehler gemacht. Ja, sie hatte Aldiss rehabilitiert, aber Rice bedeutete das gar nichts. Es war nicht der große Sieg, wie es diejenigen, die Shipley augenscheinlich verehrten , darstellten. Er hatte Aldiss einmal getroffen – und der Mann hatte etwas Unheimliches an sich. Etwas fast Unmenschliches. Vielleicht war es sein eingefrorenes Lächeln oder die Art, wie sein Blick einen fixierte, beurteilte, herabsetzte. Rice schüttelte sich bei der Erinnerung.
    Er dachte jetzt an den Professor. Wie nicht anders zu erwarten war, hatte die inkompetente Shipley nichts aus ihm herausbekommen. Was, wenn jemand anderes mit ihm sprechen würde, jemand, der nichts gewinnen kann außer der Wahrheit? Aldiss würde seine Aufrichtigkeit zu schätzen wissen; Aldiss würde in ihm einen Mann mit gleichrangiger, vielleicht sogar überlegener Intelligenz erkennen. Keine schlampige junge Professorin mehr, die sich in Harvard einen Namen machen will – Schluss mit den Spielchen. Er würde zu Aldiss gehen und ihn nach den Morden an Michael Tanner und Lewis Prine fragen, und sie würden sich wie zwei gelehrte Männer unterhalten, denen an nichts anderem liegt als an der Wahrheit.
    Ja, genau das war es. Kein Rumsuchen mehr in einem vergessenen Roman, Schluss mit diesem Unsinn. Er würde heute Nachmittag Aldiss besuchen und diese Sache ein für alle Mal beenden.
    29
    Alex kehrte nach ihrem Gespräch mit Black in das Zimmer zurück und spürte die Hitze der Blicke der anderen. Sie setzte sich und holte tief Luft. Das muss aufhören. Es kann einfach nicht so weitergehen. Wir können nicht wie Tiere in diesem alten Haus gefangen gehalten werden.
    »Frank hat uns von Daniel Hayden und deinem Aldiss erzählt, als du weg warst, Alex.« Es war Lucy Wiggins. Sie lehnte an der Wand neben

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