Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Menschenspieler

Der Menschenspieler

Titel: Der Menschenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Lavender
Vom Netzwerk:
sein würde, ob er nach dem Abendkurs überhaupt noch derselbe gewesen war. »Er glaubt, dass es jemand aus seinem Kurs war«, sagte sie.
    Black zupfte sich an einem Ohr. Da war eine Narbe an seinem Kinn, die ihr noch nie aufgefallen war, rot und gereizt. Sie dachte an ihren Vater. »Und, stimmen Sie ihm zu, Dr. Shipley?«
    »Die Fakten sprechen für sich. Aldiss hat eigentlich immer recht.«
    Daraufhin wurde es still in dem Raum. Blacks Kiefer mahlte. Er klickte mit seinem Kugelschreiber.
    »Sie können in das Zimmer zurückgehen«, sagte er. »Schicken Sie Keller her.«
    Alex stand auf und verließ das Büro. Auf dem Weg durch den Flur kam sie an ihrem Zimmer vorbei, und da der Korridor leer war, trat sie ein und schloss verstohlen die Tür hinter sich. Sie ging zum Bett und hob die Matratze hoch, vorsichtig, um kein Geräusch zu machen, und fand den Fallows-Roman dort. Rasch öffnete sie das ausgehöhlte Buch und sah hinein und …
    Die Waffe war da. Sie war unberührt.
    Sie atmete aus und drehte sich um, um zu gehen. Dabei bemerkte sie etwas auf dem Nachttisch. Es war der Umschlag, den Aldiss ihr kürzlich beim Abendessen gegeben hatte.
    Für Alexandra.
    Sie hob den Umschlag hoch und riss ihn auf.
    Es war eine schlichte Grußkarte. An alte Freunde , stand darauf. Wir treffen uns nicht so oft, wie wir sollten, aber wenn wir es tun, ist es wundervoll für mich.
    Alex schüttelte den Kopf und öffnete die Karte. Aldiss hatte etwas hineingeschrieben.
    Meine liebste Alexandra,
    sie werden bald zu mir kommen. Du musst mir glauben, dass ich nichts mit dem, was jetzt in diesem Haus geschieht, zu tun habe. Und noch etwas …
    Alex’ Blick flog über den Rest des Textes, und als sie sah, was Aldiss noch geschrieben hatte, stockte ihr der Atem.
    … die Prozedur hat begonnen. Alles, was sie sagen, alles, was du hörst, könnte Teil des Spiels sein. Vertraue niemandem.
    Dein Lehrer
    Richard

Iowa
    1994
    26
    An dem Morgen, an dem sie nach Iowa fliegen wollten, besuchte sie ihren kranken Vater.
    Das Haus stand ganz im Zeichen seiner Krankheit – Wasser tropfte ins Waschbecken, das Radio ihrer Mutter plapperte in einem Hinterzimmer. Es war kalt im Haus, weil seine Medikamente seinen Körper fiebrig heiß werden ließen, und Alex zog einen Mantel an, als sie das Wohnzimmer betrat. Ihr Vater saß in seinem Lieblingssessel, schwitzte, seine Zähne klapperten. Er trug ein T-Shirt mit der Aufschrift: MEINE TOCHTER IST EIN JASPER COLLEGE TIGER .
    »Hi, Daddy. Wie geht’s?«
    Seine Augen waren rot umrandet, und Strähnen seines dünnen Haars hingen in die Stirn. Sie berührte ihn dort, strich seine feuchten Haare mit der Hand zurück, blies sanft auf seine Wangen.
    »Wie immer, Allie«, sagte er. »Alles wie immer.«
    »Hat Mom dich die Hausarbeit machen lassen?«
    Der Mann lächelte schwach. Sogar das war anstrengend. »Sie ist gut zu mir. Sprich nicht über deine Mutter, als wäre sie nicht hier.«
    »Hey, Mom.«
    Alex drehte sich um und sah ihre Mutter. Sie hatte geweint wie jeden Morgen. In ihrer Faust hielt sie ein zusammengeknülltes Kleenex, und ihre Nase glänzte. »Mein Mädchen.« Sie kam näher und umarmte Alex, und einen verrückten Augenblick lang dachte sie: Ich fliege nicht. Ich werde hier bei ihnen bleiben und den Kurs nicht beenden.
    Aber dann verging er, und ihre Mutter trat einen Schritt zurück, um sie anzusehen.
    »Dünn bist du geworden!«, sagte sie. »Bekommst du an diesem College nichts zu essen?«
    »Doch, Mom«, sagte Alex. Sie ging in die Küche, öffnete einen Schrank, nahm Ovomaltine heraus und füllte ihr Lieblingsglas mit dem Schriftzug VERMONT : FREEDOM AND UNITY mit Milch. Das, all das, schien ihr so vertraut, so sicher.
    »Er baut ab«, sagte ihre Mutter jetzt, flüsternd. Beide Frauen waren in der Küche, das Morgenlicht fiel durch die mit Weintrauben verzierten Vorhänge ihrer Mutter über der Spüle. Alex drehte sich um und sah durch den Schlitz auf die weiß blühenden Bäume in ihrem alten Vorgarten. »Wenn du nach Harvard gehst, Alex, dann weiß ich nicht, was wir tun werden. Was ich tun werde.«
    »Was, wenn ich nicht nach Harvard gehe?«
    Sie fühlte ihre Mutter näher kommen. »Was meinst du?«
    »Ich meine …« Sie stoppte. Sie wusste nicht, was sie meinte, nicht genau.
    »Was ist los mit dir, Alex? Was ist los?«
    »Nichts ist los, Mom. Nichts.«
    »Doch. Da ist etwas. Das merke ich.«
    »Es ist …« Ein Freund , wollte sie sagen. Ein neuer Freund . Aber das wäre nur die halbe

Weitere Kostenlose Bücher