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Der Menschenspieler

Der Menschenspieler

Titel: Der Menschenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Lavender
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eine Tür schieben und zu niemand Bestimmtem sagen würde: Hab ihn. Ich habe ihn endlich.
    Er war so in seinem Tagtraum versunken, dass er die Abfahrt beinahe verpasste.
    Das Haus hatte sich verändert, seit er das letzte Mal hier gewesen war. Eine Dunkelheit hatte sich darübergelegt wie eine Art von Verfall. Wie alles andere war dies wohl zeichenhaft zu verstehen. Als Rice auf dem schmalen Kiesweg näher kam, stand für ihn das Haus sinnbildlich für Aldiss’ Geisteszustand – verwittert und weich und überholt. Wie einfach das sein würde.
    Er stieg aus dem Wagen. Eine simple Fliegengittertür, an deren Rand blaugraue Farbe abblätterte. Hinter dem Haus ein See. Diese Einfachheit hatte ihn schon früher schockiert. Aldiss schien komplizierter als das. Aber hier wohnte er, in diesem Kaff, mitten unter den Einheimischen. Unter den stinkenden und faulen einfachen Leuten, die kein Recht darauf hatten, mit einer Geistesgröße wie Aldiss auch nur in einem Raum zu stehen.
    Warum?, fragte Rice sich . Warum hier?
    Mit einem süffisanten Grinsen klopfte er an die Fliegengittertür.
    Sie bewegte sich an den Scharnieren. Das Geräusch schoss ins Haus, rasselte lärmend durch die Räume. Die Dunkelheit brummte.
    »Professor!«, rief Rice. »Professor Aldiss, hier ist Dekan Anthony Rice vom Jasper College. Ich bin gekommen, um Ihnen ein paar Fragen zu stellen. Darüber, was gerade auf unserem Campus geschieht.«
    Nichts. Er trat zurück, sah seitlich um das Haus. Die Bäume schwankten im Wind.
    »Professor Aldiss!«, rief Rice wieder, dieses Mal lauter. »Ich muss wirklich dringend mit Ihnen sprechen. Michael Tanner ist seit drei Tagen tot, und jetzt wurde Lewis Prine …«
    Drinnen bewegte sich etwas. Eine winzige Veränderung des Lichts, silbern auf seiner Wange.
    »Professor Aldiss?«
    Er wartete. Fünf Sekunden, zehn. Angst kroch ihm den Nacken hoch ins Gehirn, und er schluckte sie hinunter. Hier ist nichts, wovor man Angst haben musste, sagte Rice sich. Nichts außer einem alten Mann, der sich entschlossen hat, bei den Einheimischen zu leben. Nichts außer einem Typen von gestern, einem Relikt. Er fasste Mut und klopfte noch einmal. Die Fliegengittertür ging leicht auf und enthüllte einen Bruchteil des Raums neben dem Türpfosten. Das war es. Dieser Bruchteil, dieses Stückchen Innenraum. Er könnte, wenn er wollte, sagte Rice sich. Er könnte. Er sollte.
    Mit inzwischen heftig pochendem Herzen öffnete er die Fliegengittertür und ging hinein.
    31
    »Warum?«, fragte jemand, als Detective Black Sally aus dem Zimmer begleitete. Es war Matthew Owen, der immer noch hinter Dekan Fisk stand. Der Pfleger wirkte betroffen. »Warum sollte Aldiss glauben, dass einer von Ihnen …«
    »Weil er uns hasst«, sagte Christian. »Das hat er schon immer.«
    »Christian«, sagte Alex.
    »Es ist wahr, Alex. Du hast es nicht bemerkt, aber der Rest von uns schon. Er hasste uns, weil wir frei waren und er den Großteil seines Lebens im Gefängnis verloren hatte. Er wollte uns dafür bestrafen. Er wollte diese Herrschaft über uns errichten, selbst als der Kurs vorbei war. Und genau das hat er auch getan.«
    »Wahnsinn«, murmelte Frank. Die anderen stimmten zu.
    »Vielleicht hat er ja recht.«
    Alle drehten sich um und starrten Lucy Wiggins an, die Außenseiterin ihrer Gruppe.
    »Der Detective hat doch gesagt, dass jemand aus diesem Haus diesen Kerl unten erschossen haben muss. Vielleicht weiß dieser Professor von euch etwas, das wir nicht wissen.« Ihre Augen glitzerten geheimnisvoll, als spielte sie die überraschende Heldin in einem Fernsehfilm.
    »Vielleicht ist das auch nur seine Art, uns zu manipulieren«, sagte Keller.
    »Fahren Sie fort, Mr Keller.« Dekan Fiskers Stimme stieg aus dem Schatten des Zimmers auf.
    »Es wäre typisch für Aldiss, das zu einem seiner Spiele zu machen. Er könnte versuchen, uns alle gegeneinander aufzuhetzen, genau das zu verursachen, was nun geschehen ist, während er sich zurücklehnt und aus der Ferne zusieht. Er ist der Typ dazu.«
    Alex tat es in der Seele weh, Keller so reden zu hören. Nein , dachte sie. Bitte, nicht du . Sie wollte zu ihm sagen: Iowa war kein Fehler. Was wir dort getan haben, war nicht Teil von Aldiss’ Spielchen. Aber sie bekam kein Wort heraus. Sie war vor Angst erstarrt.
    »Aber die Frage bleibt«, fuhr Lucy fort. Sie wurde jetzt selbstbewusster in der Rolle, die sie in diesem Akt des Dramas spielte. Ihre Augen weit aufgerissen richtete sie sich zu voller Größe auf und

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