Der Menschenspieler
sagte zunächst nichts. Sie dachte an das leere Fach, an ihre Hand, die in die Dunkelheit griff, an Kellers unschuldiges Lächeln, als sie ihn später sah.
»Dr. Shipley?«
Sie schaute zu dem Detective hoch. »Ja, ich denke schon.«
»Haben Sie noch über etwas anderes mit Lewis gesprochen?«
»Wir haben über vieles geredet, Detective. Wir waren schließlich alte Freunde.«
»Haben Sie über ein Spiel gesprochen, das Lewis Prine gespielt hat?«
Also hatte auch er mit der Prozedur zu tun. Scheiße.
»Nein«, sagte sie. »Ich habe mich da rausgehalten.«
»Aber Sie haben das Spiel früher schon gespielt?«
Sie sah ihm in die Augen. »Das habe ich. Als ich den Abendkurs besucht habe.«
»Und, waren Sie gut darin?«
»Gut?«
Der Mann fuchtelte mit den Händen. »Bei Spielen gibt’s doch Gewinner und Verlierer, Professor. Haben Sie gewonnen?«
Sie sah auf den chaotischen Schreibtisch, auf die Tablettenschachteln von Fisk. Dann richtete sie sich auf und sagte: »Anfangs nicht. Zuerst war ich miserabel. Aber mit der Zeit bin ich sehr gut geworden, ja.«
Black machte sich eine Notiz. »Lassen Sie uns über heute Morgen reden. Wann sind Sie gegangen?«
»Gegen acht.«
»Und war sonst noch jemand wach?«
Sie dachte an das Haus, an das glimmende Feuer in dem leeren Salon, an die Dunkelheit in der Küche. »Nicht soweit ich das sehen konnte«, sagte sie. »Es ist ein riesiges Haus, Detective.«
Black nickte. »Ich glaube, dass Lewis Prine gegen neun Uhr ankam, gerade als alle im Haus sich auf den Weg zur Trauerfeier machten. Ein Zeuge hat ausgesagt, dass er eine Autopanne hatte, wohl mitten in einem Funkloch. Vielleicht ist er also gerade eingetroffen, als die Letzten das Haus verließen und …«
»Wir waren alle bei der Feier«, sagte Alex, doch eine Erinnerung ließ sie innehalten: Frank und Keller kamen zu spät . Sie fluchte innerlich, weil sie daran dachte, weil sie ihrem Verstand erlaubte, sich gegen sie zu stellen. Plötzlich war sie atemlos, suchte nach etwas, das knapp außerhalb ihrer Reichweite lag. »Wir waren schon weg, als Lewis herkam.«
»Jemand könnte zurückgekehrt sein«, erklärte Black. »Jemand könnte gerade lange genug im Haus gewesen sein, um den Mord zu begehen, und es trotzdem noch zur Feier schaffen. Aus diesem Grund müssen wir Sie alle unter Beobachtung behalten, bis wir alle Möglichkeiten überprüft haben und jeden, der sich in diesem Haus aufgehalten hat, ausschließen können.«
Jemand aus dem Abendkurs hat das getan , dachte sie und erinnerte sich an Aldiss’ Worte . Jemand, der hier war.
»Aber dieser Mord«, schaffte sie schließlich zu sagen. »Nichts passt zusammen. Wenn der Mörder derselbe ist, der Michael Tanner getötet hat, dann hat er seine Methode geändert. Alles ist anders, abgesehen von dem Buch.«
»Manchmal«, sagte Black, »bedeutet das gar nichts.«
»Tut mir leid, das verstehe ich nicht.«
»Der Mörder hatte vielleicht nicht genug Zeit. Vielleicht musste es schnell gehen, und eine Pistole war seine oder ihre einzige Option.« Der Detective hielt inne, atmete tief ein. »Wissen Sie, ob irgendjemand in diesem Haus eine Waffe besitzt, Dr. Shipley?«
»Nein«, sagte sie. »Natürlich nicht.« Merkte er, dass sie log?
Eine Sekunde verstrich, dann zwei. Black nickte schließlich und sagte: »Lassen Sie uns über Richard Aldiss sprechen.«
»Was ist mit ihm?«
»Sie sind gestern Abend zu ihm nach Hause gegangen.«
Sie nickte.
»Und?«
»Und er hat nichts über Michael Tanner gesagt. Er behauptet, unschuldig zu sein.«
»Natürlich tut er das«, sagte Black. »Aldiss’ Problem ist, dass er so nah am Campus wohnt. Es wäre für ihn ein Leichtes gewesen, herzukommen, Lewis Prine zu töten und dann noch vor dem Ende der Trauerfeier wieder zu Hause zu sein.«
»Er war es nicht.«
Wieder zog Black eine Augenbraue hoch. »Sind Sie sich da so sicher, Professor?«
Sie zuckte mit den Schultern. Sie wünschte, sie könnte fortfahren, dem Detective etwas geben, das ihn überzeugen würde, aber da war nichts. Nichts außer ihrem Bauchgefühl.
»Sie waren lange unterwegs«, sagte er. »Die anderen im Haus sagen, dass Sie fast drei Stunden weg waren. Worüber haben Sie und Aldiss gesprochen?«
»Über die Vergangenheit.«
»Aldiss ist ein intelligenter Mann. Er hat doch sicher Theorien darüber, was auf diesem Campus geschieht.«
Sie sah an ihm vorbei auf den Rand des Campus in der Ferne hinter dem Fenster. Sie fragte sich, ob er je wieder derselbe
Weitere Kostenlose Bücher