Der menschliche Körper
ineinander. Sie bilden eine Spirale, die an Geschwindigkeit zunimmt, die Schnüre verdrehen sich bis oben hin und ziehen die Schirme zusammen. Die siamesischen Fallschirme fallen auf zwei darunter schwebende, und alle werden zu einem Knäuel.
Die Soldaten halten den Atem an, einige schlagen instinktiv die Hände vors Gesicht, während die Lasten, wegen der ineinander verhedderten Fallschirme mittlerweile ohne Auftrieb, im freien Fall auf die Erde herunterplumpsen, mit der ungeheuerlichen Beschleunigung von Gewichten, die von der Schwerkraft angezogen werden.
Der Aufprall wirbelt eine Staubwolke auf, die einige Sekunden braucht, bis sie verflogen ist. Die Jungs wissen nicht, was tun. Einer nach dem anderen gehen sie vor, die Kufiya vor die Nase haltend.
«Was für ein Kladderadatsch», sagt Torsu.
«Alles die Schuld von diesen Ärschen von der Luftwaffe», sagt Simoncelli.
Sie stehen um das Loch herum, das die Paletten in den Boden geschlagen haben. Etwa hundert Dosen mit geschälten Tomaten sind geplatzt und haben rote Flüssigkeit ringsumher verspritzt, aber da sind auch aufgerissene Packungen von tiefgefrorenem Putenfleisch – in rosa Fetzen liegt es im Sand herum und glänzt in der Sonne –, Püree in Dosen und Milch in Plastikkanistern, die an zwei oder drei Stellen auslaufen.
Di Salvo nimmt eine Handvoll zerkrümelter Kekse. «Will jemand was zum Frühstück? Man kann sie auch eintunken.»
«Das ist ein Riesenkladderadatsch», sagt Torsu noch einmal.
«Ja, ein Riesenkladderadatsch», wiederholt Mitrano.
Die Milchlache breitet sich rings um den Haufen Lebensmittel aus, umgibt die Stiefel der Soldaten, vermischt sich mit dem Tomatenpüree. Die Raubvögel, die schon angefangen haben, immer engere Kreise über der Stelle zu ziehen, verwechseln das Ganze mit einer einladenden Blutlache. Die verdorrte Erde saugt sich voll mit der roten Flüssigkeit, wird für ein paar Sekunden lang dunkler, dann ist alles vergessen.
Von den Fleischvorräten ist wenig zu retten. Die Putenschnitzel, die vom Staub verschont geblieben sind, reichen kaum für ein Viertel der Männer, und die Köche weigern sich, sie in Stücke zu schneiden, denn das würde Kinderportionen ergeben. Aufgrund von Verspätungen und falscher Zuteilung haben die Soldaten schon seit über einer Woche kein Fleisch gegessen, und wenn sie in der Kantine ein weiteres Mal Töpfe voll Pasta asciutta mit Keimöl sehen, kommt es bald zur Meuterei. Um die Gemüter zu beruhigen (und weil er selbst große Lust auf ein Beefsteak hat), genehmigt Oberst Ballesio eine erste Abweichung von den Vorschriften, indem er die Expedition von zwei Fahrzeugen zum Basar im Ort erlaubt, um bei den Afghanen Fleisch zu kaufen. Die dafür ausgesuchten Soldaten halten drei Stunden später, von Pfiffen und Beifall begrüßt, triumphalen Einzug in der FOB , mit einer Kuh, die seitlich auf dem Fahrzeugdach liegend festgebunden ist.
Das Tier wird hinter den Zelten der Hunderteinunddreißigsten auf einer am Boden ausgebreiteten Plastikplane geschlachtet, über Nacht bei Raumtemperatur abgehangen und zum Mittagessen gebraten. Der Rauch vom Grill erfüllt die Kantine, weil der Wind ungünstig steht, aber der Gestank nach Verbranntem stört die Soldaten nicht, im Gegenteil, er steigert ihre Erregung und ihren Appetit. Sie schreien, sie wollen das Fleisch blutig gebraten, und die Köche sind froh, ihrem Wunsch nachkommen zu können. Die Beefsteaks kommen auf den Tisch, dick und innen schön rosa: Wenn man mit der Gabel hineinsticht, tritt bächleinweise blasses Blut aus, das sich auf den Plastiktellern absetzt. Das Fleisch ist zäh und nicht sonderlich schmackhaft, aber in jedem Fall besser als das aufgetaute Putenfleisch, das jetzt in den Mülltonnen verfault. Die Jungs essen davon, bis sie meinen zu platzen. Oberst Ballesio steigt auf die Bank und bekommt spontanen Applaus, er hebt das Glas und sagt einen Satz, der durch die nachfolgenden Ereignisse auf seine Weise Berühmtheit erlangen würde: «Ich sage euch, so wahr ich Oberst bin, das ist das beste Essen, das ihr in diesem ganzen Scheißafghanistan bekommen könnt!»
Nach dem Essen kehren die Jungs vom dritten Zug in ihre Zelte zurück, um sich auszuruhen. Torsu und ein paar andere gehen zur Ruine. Sie haben sich Mühe gegeben, sie wohnlich zu gestalten: Jetzt stehen da improvisierte Tische, über denen Ethernet-Kabel hängen und ekelhafte Fliegenfängerstreifen voller toter Tiere. Michelozzi, der aufgrund des Berufs seines Vaters
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