Der menschliche Körper
dem Fuß danach, aber durch die Hose spürt er nicht viel. Er denkt, irgendein schmutziges Wäschestück ist dort unten gelandet, dann kommt ihm der schreckliche Verdacht, seine Kameraden hätten wieder den Sack mit ihm gemacht. Er schiebt sich wieder hoch, um zu sehen, ob er noch aus dem Schlafsack herauskommt. Zum Glück ja. Im Sitzen langt er mit der Hand ins Innere, um das untere Ende zu erkunden, und kriegt etwas zu fassen. Die Haut des Reptils ist rau und trocken geworden und verbreitet einen Geruch von verwesendem Fleisch, der den Obergefreiten einen Augenblick früher überfällt als das Bewusstsein, was er da in der Hand hält.
« AAAAAAAAAAH !»
Er springt auf, beinah hätte er das Feldbett umgeworfen. Ein Zucken befällt ihn, er hüpft, als hätte er die Schlange zwischen den Füßen. Der ganze Körper wird wie von elektrischen Stößen geschüttelt, die Arme zittern.
Die Jungs wachen auf, fragen, was los ist, Lichter werden angemacht, all das dauert wenige Sekunden, in deren Verlauf er mit einer blitzschnellen Bewegung die Pistole aus der Tasche an dem Koppel zieht, das am Griff seines Spindes hängt, durchlädt, entsichert und ein, zwei, drei, vier, fünf Mal auf den Schlafsack schießt.
« AAAAAAAAAAH !»
Er spürt die Schlange auf seinem Körper, er spürt, wie sie sich über seine Schultern windet, ihm übers Gesicht kriecht, wie sie ihn überall beißt, das Gift, mein Gott, das Gift.
« DIESES SCHEISSVIEH HAT MICH GEBISSEN !»
Die Kameraden rufen ihm zu, er solle aufhören, aber Mitrano merkt nichts. Er gibt weitere Schüsse auf den Schlafsack ab und löst eine Eruption weißer Federn aus. Die Explosionen erschüttern schmerzhaft das Trommelfell der Jungs.
René will ihn aufhalten, er ist fast bei ihm, aber Mitranos Reflexe sind durch das Adrenalin beschleunigt. Er fährt um neunzig Grad herum und richtet die Waffe auf René. Der Feldwebel bleibt stehen. Die Soldaten verstummen.
«Ganz ruhig», sagt René.
Mitrano kann sich selbst nicht sehen. Er würde erschrecken, wenn er seine eigene Blässe sehen könnte, und er käme zu der Überzeugung, dass die Schlange ihn wirklich gebissen hat. Das Blut ist aus seinem Gesicht gewichen, ist ganz in die Hände geströmt, die violett sind und die Beretta umklammern. Die ist auf die Mitte von Renés Brustkorb gerichtet. Man kann viel über den Obergefreiten Mitrano sagen, aber nicht, dass er nicht schießen könne. Vor allem auf ein Ziel in anderthalb Meter Entfernung.
«Nimm die Waffe runter», befiehlt René in verbindlichem Ton, mehr wie ein älterer Bruder als wie ein Vorgesetzter.
«Da ist eine Schlange!», schluchzt Mitrano. «Eine Schlange … sie hat mich gebissen, Scheiße.»
«Ist gut. Jetzt sehen wir nach.»
«Sie hat mich gebissen! Sie hat mich gebissen!», Tränen laufen ihm aus den Augen.
«Nimm die Pistole runter. Hör auf mich.»
Statt zu gehorchen, wechselt der Obergefreite sein Ziel, richtet die Waffe auf Simoncelli, der wie eine lebende Statue erstarrt ist: ein Knie noch auf das Feldbett gestützt, den anderen Fuß am Boden. Dann richtet er sie wieder auf René.
Cedernas Stimme kommt aus ein paar Metern Entfernung, aus dem dunklen Hintergrund des Zeltes. «Das ist die tote Schlange, Mitrano.»
Verdutzt zögert der Obergefreite ein paar Sekunden lang. Er nimmt die Information auf, verdaut sie langsam. Natürlich, die Schlange, die aus der Ruine verschwunden war. Er wirft ein paar rasche Blicke auf den Schlafsack zu seiner Linken, als wäre er noch nicht ganz überzeugt. Die Federn haben sich auf den grünen Überzug gelegt und zittern im leichten Luftzug. Im Inneren regt sich nichts.
«Wart ihr das?»
René schüttelt den Kopf. Andere tun es ihm nach.
« HEY , WART IHR DAS ?»
«Ich war es, Mitrano. Jetzt nimm die Pistole runter.» Cederna ist aufgestanden und geht vorsichtig auf den Kameraden zu, er ist fast auf der Höhe des Feldwebels.
«Du», sagt Mitrano. Seine Tränen fließen noch reichlicher. «Immer bist du es. Ich bring dich um, Cederna. ICH BRING DICH UM .»
Wenn er den Finger am Abzug krümmte, würde das Hirn von Francesco Cederna von vorn nach hinten durchschlagen, die Kugel würde austreten und in den Rucksack von Enrico Di Salvo eindringen, der an der Zeltwand hängt. Alle Anwesenden sind imstande, diese Flugbahn vorherzusehen.
Mitrano atmet durch den Mund, er kriegt keine Luft. Auf einmal überfällt ihn Müdigkeit, eine enorme Müdigkeit, die ihn erdrückt und sich wie flüssig fühlen lässt. Er
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