Der menschliche Körper
habe ich
kein Auge
zugetan. Logisch, dass ich nervös bin, oder nicht?
Alle
sind das, in der Nacht davor. Aber ich war nicht nur nervös, sondern ich hatte auch schreckliche Magenkrämpfe, und die hatten nichts mit der Aufregung zu tun, das waren Krämpfe und basta. Ich habe zwei Buscopan genommen, aber die hatten überhaupt keine Wirkung. Sicher, wenn deine Eltern uns als Kinder nicht mit Medikamenten vollgestopft hätten, könnten sie vielleicht noch wirken … und so ist mir um drei Uhr nachts nichts Besseres eingefallen, als es
noch einmal
anzuprobieren, das Kleid. Ich war in der Küche, mitten in der Nacht im Brautkleid, wie eine
Verrückte
. Und in den Haaren hatte ich diese verfluchten Lockenwickler, von denen ich nicht einmal weiß, warum ich sie verwendet habe, da ich diese blöde Püppchenfrisur hasse. Es ist die, die Nini mir immer machte. Kurzum, ich habe mein Spiegelbild im Fenster gesehen und begriffen, dass dieses Kleid grauenhaft ist, dass es ganz einfach
falsch
ist.»
Sie hob den Tüll ihres Rockes und ließ ihn wieder auf die Schenkel fallen, wie ein Stück altes Papier. Sie war so angewidert davon, sie war sich so unsicher über den Schritt, den zu tun sie sich anschickte – wenn ich in diesem Moment gesagt hätte, du hast recht, das Kleid ist unmöglich, und wir sind Tollpatsche, aber hör zu, hör mir gut zu, diese ganze Geschichte ist unmöglich, sie ist ein Irrtum, und das Kleid ist ein Beweis dafür, dass du ihn nicht heiraten willst, du wolltest ja überhaupt nicht heiraten, also drehen wir jetzt um und fahren zurück, alles wird sich einrenken, das verspreche ich dir, es wird sich einrenken, wenn ich also der Wahrheit, die sich mit beschämender Deutlichkeit in meinem Kopf abzeichnete, Ausdruck verliehen hätte, dann hätte sie mich ein paar Sekunden lang streng angesehen und wäre in Gelächter ausgebrochen, hätte geantwortet, ist gut, fahren wir zurück, machen wir es, wie du sagst.
Aber es schien mir nicht die geeignete Gelegenheit für Aufrichtigkeit, und ich sagte: «Das Kleid ist überhaupt nicht falsch. Und es steht dir ausgezeichnet.»
Die weiße Schicht auf dem Asphalt war einige Zentimeter dick, und bei allzu abrupten Bewegungen des Lenkrads kam der Wagen ins Rutschen. Die Autos fuhren sehr langsam und vorsichtig. Auch ich fuhr langsam, hielt mich vorzugsweise in der von den anderen gezogenen Spur. Mich auf die Schwierigkeiten des Verkehrs zu konzentrieren, erlaubte mir, die Stille, die sich im Inneren des Wagens breitgemacht hatte, zu behandeln, als ob sie etwas Normales wäre. Ich war mir bewusst, dass Marianna mich seit etlichen Minuten ansah, in der Erwartung, dass auch ich mich ihr zuwendete und die ganze Angst in ihren Augen läse, die sie nun endlich zu erkennen gab. Ich kannte diesen Blick, ich hatte ihn Hunderte von Malen erwidert, und ich wusste, dass er mich erwartete.
Aber ich konzentrierte mich weiter auf die Straße, und jedes Mal, wenn ich an die plötzliche Desertion meiner Schwester denke, sehe ich weiße Flockenwirbel vor mir, die aus dem Dunkel auf uns zukommen, und ich spüre die Schwere ihrer Not dort neben mir, die ich ignorierte.
Als ich vor der Kirche hielt, beeilte sich eine Gruppe von geladenen Gästen hineinzugehen. Erst da sah ich Marianna an, aber sie erwartete sich nichts mehr von mir. Sie war distanziert, abwesend, in derselben Haltung tatenlosen Abwartens, mit der sie Ernestos Ausführungen hinnahm.
Ich schaltete den Motor aus. Jetzt musste ich die Abstoßung unserer Körper überwinden, die sich zu ähnlich waren, und sie ein letztes Mal als ledige Frau umarmen. Als ich sie an mich drückte, wich plötzlich alle Energie aus ihrem Oberkörper, und sie fing an zu zittern. Ich hielt sie fest, bis sie sich beruhigt hatte.
«Keine dummen Witze während der Feier, das musst du mir schwören», sagte sie.
«Das hast du mir schon hundert Mal gesagt.»
«Ich will, dass keiner Küssen, Küssen schreit oder Es lebe das Brautpaar oder sonstigen Blödsinn. Ich
hasse
das.»
«Ich weiß.»
«Du musst es mir schwören.»
«Ich schwöre es.»
«Und ich will keine Rede halten, ist das klar?
Nichts
, nicht einmal ein Dankeschön. Das wäre …»
Peinlich, schloss ich im Stillen. «Es wird keine Rede geben.»
«Du hast es geschworen», sagte Marianna.
Ihr Atem war keuchend geworden, sie schien vergessen zu haben, dass man auch durch die Nase atmen kann.
«Wollen wir gehen?», schlug ich vor. Ich musste eine Regung von Ungeduld unterdrücken. Jetzt
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