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Der menschliche Makel

Der menschliche Makel

Titel: Der menschliche Makel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Roth
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ganze Sache bloß benutzt, um ihm die Kinder wegzunehmen. Diese Schlampe. Diese Fotze. Sie hat ihn ausgetrickst. Er hätte sie nie mit den Kindern gehen lassen dürfen. Zum Teil war es seine eigene Schuld, weil er betrunken war und sie ihn mit Gewalt in die Entziehungsklinik geschafft haben, aber es wäre besser gewesen, wenn er sie alle kaltgemacht hätte, wie er es gesagt hatte. Er hätte sie umbringen sollen, er hätte die Kinder umbringen sollen, und das hätte er auch getan, wenn sie ihn nicht in die Entziehungsklinik geschafft hätten. Und sie wusste es, sie wusste, dass er sie alle - zack! - umgebracht hätte, wenn sie je versucht hätte, ihm die Kinder wegzunehmen. Er war schließlich der Vater - wenn irgendjemand seine Kinder aufzog, dann er. Wenn er sich nicht um sie kümmern konnte, dann waren sie besser dran, wenn sie tot waren. Sie hatte kein Recht, ihm die Kinder wegzunehmen. Erst nimmt sie ihm die Kinder weg, und dann bringt sie sie um. Der Ausgleich für das, was er in Vietnam getan hat. Das haben ihm in der Klinik alle gesagt: der Ausgleich für dies und der Ausgleich für das, aber dass alle das sagen, bedeutet ja nicht, dass das nicht stimmt. Es war ein Ausgleich, es war alles ein Ausgleich - der Tod der Kinder war ein Ausgleich, und der Schreiner, mit dem sie gevögelt hatte, war ein Ausgleich. Er weiß nicht, warum er ihn nicht umgelegt hat. Zuerst hat er bloß den Rauch gerochen. Er war im Gebüsch neben der Straße und hat die beiden im Pick- up des Schreiners belauscht. Der Wagen war in der Einfahrt geparkt. Sie kommt runter - die Wohnung, die sie gemietet hat, ist über einer Garage hinter irgendeinem Bungalow -, und sie steigt in den Pick-up, und es brennt kein Licht, und der Mond scheint nicht, aber er weiß, was da läuft. Und dann riecht er den Rauch. Er hat in Vietnam bloß überlebt, weil er jede Veränderung, jedes Geräusch, jeden Geruch von irgendeinem Tier, jede kleine Bewegung im Dschungel früher bemerkt hat als irgendein anderer - er war im Dschungel so hellwach, als wäre er dort geboren. Er kann den Rauch nicht sehen, er kann das Feuer nicht sehen, er kann gar nichts sehen, weil es so dunkel ist, aber mit einmal riecht er den Rauch, und irgendwas schlägt über ihm zusammen, und er fängt an zu rennen. Sie sehen ihn kommen und denken, er will ihr die Kinder wegnehmen. Sie wissen nicht, dass die Wohnung brennt. Sie denken, er ist durchgedreht. Aber er riecht den Rauch, und er weiß, dass er aus dem ersten Stock kommt und dass die Kinder da oben sind. Er weiß, dass seine Frau, diese verdammte blöde Fotze, nichts unternehmen wird, weil sie im Wagen sitzt und dem Schreiner einen bläst. Er rennt einfach an ihnen vorbei. Er weiß jetzt nicht mehr, wo er ist, er hat vergessen, wo er ist, er weiß nur, dass er da rein muss, die Treppe rauf, also tritt er die Seitentür ein und rennt rauf, dorthin, wo es brennt, und da sieht er die Kinder auf der Treppe sitzen, sie sitzen aneinandergedrängt oben auf der Treppe und keuchen, und er hebt sie hoch. Sie sitzen nebeneinander zusammengesunken auf der Treppe, und er hebt sie hoch und tritt die Tür ein. Sie leben, da ist er ganz sicher. Er glaubt nicht, dass die Möglichkeit besteht, dass sie nicht mehr leben. Er glaubt, sie haben bloß Angst. Dann sieht er auf, und wer steht draußen vor der Tür, wer steht da und glotzt? Der Schreiner. Das ist der Moment, in dem er ausrastet. Er weiß einfach nicht mehr, was er tut. Er geht dem Kerl an den Hals. Fängt an, ihn zu würgen, und die Schlampe, anstatt sich um die Kinder zu kümmern, regt sich auf, weil er ihrem verdammten Kerl an die Kehle geht. Die Scheißfotze kümmert sich nicht um die Kinder, sondern regt sich auf, weil er ihren Kerl umbringt. Dabei hätten sie's schaffen können. Aber so sind sie gestorben. Weil sie sich einen Scheiß um die Kinder gekümmert hat. Hat sie nie. Als er sie hochgehoben hat, waren sie noch nicht tot. Sie haben sich warm angefühlt. Er weiß, wie sich tot anfühlt. Er war zweimal in Vietnam - ihm braucht keiner zu sagen, wie sich tot anfühlt. Er kann den Tod riechen, wenn's sein muss. Er kann den Tod schmecken. Er weiß, was der Tod ist. Sie - waren - nicht - tot. Ihr Kerl, ja, der wäre bald mausetot gewesen, wenn die Bullen, die mit der Regierung unter einer Decke stecken, nicht gekommen wären, mitsamt ihren Kanonen, und ihn eingesperrt hätten. Gott im Himmel, lass mich nur einmal recht haben! Die Schlampe hat nicht aufgepasst! Hat sie nie. Wie damals,

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