Der menschliche Makel
kannten, aber wussten, dass das die allerbeste Zeit ihres Lebens war, beim zweiten Mal war er auch durchgedreht. Wenn man in einem Gefecht rennt, um aus der Gefahrenzone zu kommen, und einem die Kugeln um die Ohren fliegen, kann man unmöglich keine Angst haben, aber man kann Amok laufen und sich dem Rausch hingeben, und so läuft er beim zweiten Mal Amok. Beim zweiten Mal schießt er alles kurz und klein. Was das Zeug hält, immer an der Grenze zwischen Leben und Tod, voll Angst und Erregung, und im Zivilleben gibt es nichts, was da mithalten kann. Türschütze. Sie verlieren Hubschrauber und brauchen Türschützen. Irgendwann suchen sie Türschützen, und er ergreift die Gelegenheit und meldet sich freiwillig. Und dann schwebt er über dem Kriegsschauplatz, und von dort oben sieht alles ganz klein aus, und er feuert, was das Rohr hergibt. Auf alles, was sich bewegt. Tod und Zerstörung - dafür ist der Türschütze zuständig. Und das hat den weiteren Vorteil, dass man nicht die ganze Zeit da unten im Dschungel rumkriechen muss. Aber dann kommt er nach Hause, und es ist nicht besser als beim ersten Mal, nein, es ist schlimmer. Nicht wie bei den Jungs, die im Zweiten Weltkrieg mitgemacht haben. Die sind mit einem Schiff zurückgefahren, die haben sich entspannen können, man hat sich um sie gekümmert und sie gefragt, wie es ihnen geht. Nein, hier gibt es keinen Übergang. Eben noch war er Türschütze in Vietnam, hat Hubschrauber explodieren sehen, mitten in der Luft, und seine Kumpels sind durch die Luft geschleudert worden, gestern noch ist er so tief geflogen, dass er die verbrannte Haut riechen, die Schreie hören, ganze Dörfer in Flammen aufgehen sehen konnte, und einen Tag später ist er wieder in den Berkshires. Und jetzt gehört er wirklich nicht mehr dazu, und außerdem hat er inzwischen Angst, dass irgendwas über ihm zusammenschlägt. Er will nicht mehr mit anderen Leuten Zusammensein, er kann nicht mehr lachen oder Witze reißen, er hat das Gefühl, nicht mehr zu ihrer Welt zu gehören, er hat das Gefühl, Sachen gesehen und getan zu haben, die so weit jenseits von dem sind, was diese Leute kennen, dass es zwischen ihm und ihnen keine Verbindung mehr gibt. Hat man ihm gesagt, er kann nach Hause gehen? Wie soll er nach Hause gehen? Zu Hause hat er keinen Hubschrauber. Er bleibt für sich allein und trinkt, und wenn er zur Veterans Administration geht, sagen die, dass er bloß Geld will, und dabei will er doch nur Hilfe. Am Anfang hat er noch versucht, Hilfe von der Regierung zu kriegen, aber da haben sie ihm nur ein paar Schlaftabletten gegeben, also scheiß auf die Regierung. Die haben ihn wie ein Stück Dreck behandelt. Sie sind jung, haben sie ihm gesagt, Sie werden schon darüber hinwegkommen. Also versucht er, darüber hinwegzukommen. Mit denen von der Regierung kommt er nicht zurecht, also muss er es aus eigener Kraft schaffen. Aber es ist nicht so einfach, nach zwei Dienstzeiten zurückzukommen und sich aus eigener Kraft etwas aufzubauen. Er ist nicht ruhig. Er ist erregt. Er ist ruhelos. Er trinkt. Es gehört nicht viel dazu, ihn wütend zu machen. Da sind diese Dinge, die über ihm zusammenschlagen. Trotzdem bemüht er sich, hat schließlich eine Frau, ein Zuhause, Kinder, die Farm. Er will allein sein, aber sie will sich niederlassen und die Farm mit ihm betreiben, also versucht er, dasselbe zu wollen. Versucht, das Zeug zu wollen, von dem er weiß, dass der nette Les es vor zehn, fünfzehn Jahren, vor Vietnam, wollte. Das Blöde ist nur: Er hat eigentlich keine Gefühle für diese Menschen. Er sitzt in der Küche, am selben Tisch wie sie, und isst mit ihnen, aber er fühlt nichts. Keine Möglichkeit, von dort drüben hierherzukommen. Und trotzdem versucht er es. Ein paarmal wacht er mitten in der Nacht davon auf, dass er sie würgt, aber das ist nicht seine Schuld, das ist die Schuld der Regierung. Die Regierung hat ihm das angetan. Er dachte, seine Frau wäre der verdammte Feind. Und was hat sie geglaubt, dass er tun würde? Sie wusste doch, dass er da wieder rauskommen würde. Er hat ihr und den Kindern nie was getan. Das sind alles Lügen. Sie hat sich nie um irgendwas gekümmert außer um sich selbst. Er hätte sie nie mit den Kindern gehen lassen dürfen. Sie hat gewartet, bis er in der Entziehungsklinik war - darum hat sie ihn ja gedrängt, dorthin zu gehen. Sie hat gesagt, sie will, dass es ihm wieder besser geht, damit sie wieder Zusammensein können, aber stattdessen hat sie die
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