Der menschliche Makel
abzulegen, er war nicht mehr dabei, zu üben und sich vorzubereiten. Dies war die Lösung, das Geheimnis seines Geheimnisses, gewürzt mit einem Tröpfchen Lächerlichkeit - der erlösenden, beruhigenden Lächerlichkeit, dem kleinen Beitrag des Lebens zu jeder menschlichen Entscheidung.
Als die bislang unbekannte Verschmelzung der beiden ungleichsten unerwünschten Rassen in der Geschichte Amerikas hatte er nun seinen Platz gefunden.
Es gab jedoch ein Zwischenspiel. Nach Steena und vor Iris gab es ein fünfmonatiges Zwischenspiel namens Ellie Magee, eine zierliche, hübsche Farbige mit hellbrauner Haut und zarten Sommersprossen auf Nase und Wangen, die äußerlich die Grenze zwischen Mädchen und Frau noch nicht ganz überschritten hatte. Sie arbeitete im Village Door Shop an der Sixth Avenue, wo sie mit Begeisterung Regalbretter und Türen verkaufte - Türen mit Beinen, die als Tische und Betten dienten. Der müde alte Jude, dem das Geschäft gehörte, sagte, seit Ellie bei ihm arbeite, sei sein Umsatz um fünfzig Prozent gestiegen. »Es lief gar nichts«, sagte er zu Coleman. »Ich hab mehr schlecht als recht gelebt. Aber auf einmal will jeder Mann im Village einen Türtisch haben. Die Leute kommen rein und wollen nicht von mir bedient werden, sondern von Ellie. Sie rufen an und wollen Ellie sprechen. Seit das Mädchen hier ist, hat sich alles verändert.« Es stimmte: Niemand konnte ihr widerstehen, auch Coleman nicht. Er war zunächst von ihren Beinen auf den hochhackigen Schuhen hingerissen und dann von ihrer Natürlichkeit. Sie geht mit weißen NYU-Studenten aus, die Gefallen an ihr finden, sie geht mit schwarzen NYU-Studenten aus, die Gefallen an ihr finden - sie ist eine sprühende Dreiundzwanzigjährige, die noch keine schweren Schläge hat einstecken müssen und die in Yonkers aufgewachsen und ins Village gezogen ist, wo sie so unkonventionell lebt wie alle anderen, das Village-Leben, wie man es sich vorstellt. Sie ist eine Entdeckung, und so geht Coleman in das Geschäft, kauft einen Tisch, den er nicht braucht, und führt sie am selben Abend zu einem Drink aus.
Nach Steena und dem Schock, eine Frau zu verlieren, die er so sehr gewollt hat, genießt er jetzt wieder das Leben, er ist wieder lebendig, und zwar seit dem Augenblick, als sie im Laden angefangen haben, miteinander zu flirten. Hat sie dort, im Geschäft, gedacht, er sei ein Weißer? Er weiß es nicht. Interessant. An diesem Abend lacht sie, sieht ihn mit komisch zusammengekniffenen Augen an und sagt: »Was bist du eigentlich?« Ihr ist irgendwas aufgefallen, und sofort spricht sie ihn darauf an. Doch jetzt bricht ihm nicht der Schweiß aus, wie damals, als er Steenas Gedicht gelesen und falsch verstanden hat. »Was ich bin? Ich bin, was du willst«, sagt Coleman. »So machst du das also?«, fragt sie. »Klar mach ich das so«, sagt er. »Dann glauben weiße Frauen also, dass du weiß bist?« »Ich lasse sie glauben, was sie glauben wollen«, sagt er. »Und ich kann auch glauben, was ich glauben will?«, fragt Ellie. »Klar«, sagt Coleman. Das ist ihr Spielchen, und sie finden es sehr aufregend, mit dieser Doppeldeutigkeit zu spielen. Er hat keinen engen Freund, aber seine Kommilitonen denken, dass er eine farbige Freundin hat, und Ellies Freundinnen denken, dass sie mit einem Weißen geht. Es macht wirklich Spaß, so viel Aufsehen zu erregen, und fast überall, wo sie sich sehen lassen, ist das der Fall. Immerhin ist es das Jahr 1951. »Wie ist sie denn so?«, wird Coleman gefragt. »Heiß«, sagt er und zieht das Wort in die Länge, und dabei wedelt er mit der Hand wie die Italiener in East Orange. Jeder Tag, jede Sekunde ist erregend - er kommt sich ein bisschen vor wie ein Filmstar. Wenn sie miteinander ausgehen, ziehen sie alle Blicke auf sich Niemand in der Eighth Street weiß, was zum Teufel da los ist und das genießt er. Sie hat wunderbare Beine. Sie lacht die ganze Zeit. Sie ist auf natürliche Weise eine Frau - sie hat eine Leichtigkeit und eine natürliche Unschuld, die ihn bezaubert. Irgendwie wie Steena, nur dass sie nicht weiß ist, und das bedeutet, dass sie nicht losfahren und seine Familie besuchen, ebenso wenig wie ihre. Warum sollten sie auch? Sie leben im Village. Er kommt nicht mal auf die Idee, sie mitzunehmen nach East Orange. Vielleicht weil er nicht den Seufzer der Erleichterung hören will, weil er nicht will, dass man ihm - und sei es ohne Worte - zu verstehen gibt, er tue das Richtige. Er denkt darüber nach, warum
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