Der Messingmann
Dauer, denn er brauchte ja nicht wirklich dringend Kenntnisse von einer solch primitiven Gesellschaft. Hier fand man weder Killer-KIs noch Polisagenten, sodass er einen entsprechenden Vorteil nicht fürs Überleben benötigte. Aber, so entschied er, als er der Geschütze ansichtig wurde, die ihre Schatten in die Tiefe warfen, vielleicht war er doch klug beraten, falls er sich mit dem nächsten Menschen befasste, dem er begegnete.
Nachdem er wieder von der Sandsteinkuppe herabgestiegen war, erreichte er bald den tiefen Schatten unter der Stadt. Als er sich mit Infrarotsicht umblickte, entdeckte er eine Chimäre, die nicht auf die natürliche Evolution zurückging. Dieses Menschding mit seinem Scherenmaul und der Chitinhaut kam aus einem der Knollennester hervorgehüpft. Er beförderte es mit einem Rückhandschlag zu Boden und hielt es dort mit dem Fuß fest.
»Was bist du denn?«, fragte er.
Die Kreatur versuchte nach seinem Knöchel zu schnappen und stieß zischende, schluckende Laute aus dem gepanzerten Maul, die womöglich Worte bildeten. Skellor legte das volle Gewicht aufs Bein, und der Brustkorb unter dem Fuß brach mit dumpfem Knirschen ein. Als die Kreatur verschied, tauchte Skellor einen Finger in das hervorlaufende orangene Blut und steckte ihn in den Mund. Nachdem er das grundlegende Chromosomenformat der Kreatur schon zuvor in jenem Lager gekostet hatte, analysierte er schnell die Substanz in seinem Mund und stellte ohne Überraschung fest, dass diese Chromosomen zusätzliche menschliche DNA enthielten. Als er zur Plattform hinaufblickte und an das zurückdachte, was er von der hiesigen Technologie gesehen hatte, wusste er, dass diese Kreatur auf kein Rekombinationsexperiment von Menschen zurückging.
»Na, Drache, was machst du wohl hier?«
Ab jetzt entzog sich Skellor den beharrlichsten Angreifern mit Hilfe seiner Chamäleonware und brachte nur die um, deren Gestalt er besonders interessant fand, wobei er jedes Mal Daten sammelte und in der ungeheuren Weite der Kristallbestandteile seines eigenen Mischgehirns speicherte. Einige Stunden später erreichte er eine Stahlwand und stellte verärgert fest, dass kein Zugang von hier in die Oberstadt zu finden war. Also ging er an der Wand entlang und plante seine nächsten Schritte.
Weder die Frau noch sonst jemand in dem kleinen Lager hatte einen Dracocorp-Verstärker getragen, was Skellor überraschend fand. Da dieser Planet einer der Drachenkugeln als Versteck diente, hatte er erwartet, die gesamte Menschenbevölkerung unter deren Kontrolle vorzufinden. Jetzt wurde ihm jedoch klar, dass Drache derartige Geräte nicht brauchte, um eine primitive Bevölkerung zu lenken, auf die er so mühelos Zugriff hatte. Skellor hingegen brauchte sehr wohl eine vergleichbare Methode der Versklavung, falls er die hiesige Gesellschaft übernehmen und seinen eigenen Zwecken dienstbar machen wollte: nämlich Bauteile anzufertigen, die er für die Reparatur seines Schiffes benötigte. Zum Glück hatte er nicht nur erste Chromosomenmuster gespeichert, sondern verfügte noch über viel mehr. Zur gezielten Inspektion rief er jetzt die Baupläne eines Dracocorp-Verstärkers auf und justierte sie so, dass er ihn virentechnisch unterwandern konnte; er nahm noch ein paar kleine Anpassungen vor, da er hier nicht jeden in einen hirnverbrannten Idioten verwandeln wollte. Es stellte sich auch die Frage, wie die Geräte unters Volk zu bringen waren, aber das ließ sich leicht lösen - die Sleerchromosomen boten ihm eine einfache Möglichkeit dazu.
Und als Skellor wieder ins Tageslicht hinausging, wo er uniformierte Soldaten antraf, die Barrikaden errichteten und Waffen montierten, hustete er und spuckte etwas Grauenhaftes in seine Handfläche.
Nacheinander verschwand jeder der Telefaktoren in einem hellen weißen Blitz - und deren Helligkeit war so stark, dass sie schwarze polarisierte Flecken auf den Bildschirmen erzeugte. Jerusalem hatte gerade jede Verbindung zu sich selbst gekappt, abgesehen von den optischen Daten aus den Minikameras.
Mika lief ein Schauer über den Rücken, als sie den Blick auf einen Monitor senkte, der ihr nanoskopische Bilder aus einem der Telefaktoren gezeigt hatte. Dieser Monitor hätte inzwischen ausgegangen sein oder ihr die Forschungsprogramme zeigen müssen, die sie parallel gefahren hatte. Was er ihr jetzt zeigte, war jedoch kein Code, den sie kannte: klobige Ideogramme, die an komisch geformte Computerplatinen erinnerten, drehten sich und fügten
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