Der Messingmann
war es doch.« D’nissan widmete sich wieder den Bildschirmen. »Skellor hat es ursprünglich durch seine Kristallmatrix-KI gesteuert, und die gespeicherte Persönlichkeit Aphran hatte nach seinem Verschwinden die in der Brückenkapsel verbliebenen Reste unter Kontrolle, weil es sich andernfalls auf die Weise ausgebreitet hätte, wie wir es hier erleben. Jetzt handelt es, wie es seiner eigenen Natur entspricht.«
Mika, die das Geschehen weiter verfolgte, sah nun, dass der Planetoid tatsächlich langsam kollabierte. »Diese strukturellen Veränderungen … « , sagte sie.
Jerusalem teilte ihr mit: »Energie und Ressourcen werden gerade vielen einzelnen Punkten im Innern zugeführt, ohne Rücksicht auf den Rest. Es erzeugt irgendwas und vernichtet sich im Zuge dessen selbst.«
Auf zwei Monitoren wechselte die Darstellung und zeigte verschwommene Sondierungsergebnisse, die Mika einen Augenblick lang verständnislos anstarrte, ehe sie plötzlich kapierte.
»Es erzeugt diese Knötchen, die auch aus meinen medizinischen Myzelien hervorgegangen sind«, sagte sie.
»So scheint es«, bestätigte Jerusalem.
Mika starrte lange und angestrengt hin. Sie zitterte, und ein Schauer lief ihr über den Rücken. Der Mund fühlte sich trocken an. »Wisst ihr«, fuhr sie fort, »auf Masada habe ich mir selbst die Schuld gegeben - und habe es seither die ganze Zeit weiter getan. Ich habe zugelassen, dass mich das Schuldgefühl blendete: das Gefühl, es wäre meine Schuld, dass Apis, Eldene und Thorn sterben würden.«
D’nissan wandte sich ihr zu. »Ist das relevant?«
Mika nickte. »Ich habe die ganze Zeit nach einem eigenen Fehler gesucht, der zu einer Störung in den Myzelien führte und sie krebsartig veränderte, obgleich ich tatsächlich gar keinen Fehler gemacht habe. Die Blaupause für das Entstehen dieser Knötchen war schon immer vorhanden und blieb untätig, bis sie durch irgendeinen chemischen Auslöser aktiviert wurde.«
Colver und James drehten sich zu ihr um und hörten sich das an. D’nissan wollte wissen: »Also, womit haben wir es hier zu tun?«
»Mit Saatkörnern, möglicherweise mit noch etwas mehr.« Sie legte eine Pause ein und dachte nach. »Das Myzelium, das ich aus meiner Probe extrapoliert und manipuliert hatte, war unvollständig und erreichte dieses Stadium seines Lebens zu schnell. Die Saatkörner, die es produzierte, waren steril.«
Colver zog frostig eine Braue hoch und sah sich um. Alle hatten den leichten Ruck gespürt und gesehen, wie sich die Bordsysteme anpassten: Die Jerusalem hatte Fahrt aufgenommen.
Mika fuhr fort, als hätte sie gar nichts bemerkt: »Auf Masada habe ich die Drachenmenschen, unmittelbar nachdem sie dort aufgetaucht waren, als eine Lebensform beschrieben und weniger als biologische Maschinen, weil sie die Fähigkeit zur Fortpflanzung gewonnen hatten. Ian Cormac bestritt das mit dem Hinweis, es bestünde wenig Unterschied zwischen entwickeltem Leben und künstlich erzeugtem Leben. Er hatte Recht. Das da … « Sie deutete auf die Bildschirme. « … kann sich fortpflanzen wie die Drachenmenschen, obwohl es dazu eine Methode benutzt, die eher an die einer einjährigen Pflanze erinnert.«
»Also sind das da eine Menge kleine Babymyzelien?«, fragte Colver.
D’nissan warf ein: »Du hast von Fortpflanzung gesprochen, aber das hier sieht nach wenig mehr aus als Von-Neumann-scher Reproduktion - wie bei allen Nanomaschinen.«
»Oh, ich weiß, was ich gesagt habe.«
»Ist es dann eine Art Fremdbestäubung zwischen unterschiedlichen Myzelien? Bis zu diesem Experiment hat es nur das unter Skellors Kontrolle gegeben.«
»Nein, das ist es nicht.«
»Das Wort >Fortpflanzung< impliziert mehr als bloße Reproduktion«, gab D’nissan zu bedenken. »Ja, das tut es.« Mika zögerte. Sie konnte ihre Theorie nicht empirisch beweisen, aber sie spürte, dass sie richtig lag. Sie durfte keine Angst haben; sie musste es riskieren. Sie drehte sich zu Colver um und sagte: »Du hast spekuliert, das Myzelium würde sich als Parasit an technische Zivilisationen heften, weil sie für seine Verbreitung sorgen, und sobald es sie ausgelöscht hat, würde es sich abschalten.« Colver nickte. Mika fuhr fort: »Ich denke, es geht noch weiter: Die Myzelien vermehren sich mit unserer Hilfe. Ihr Brutpartner ist eine Zivilisation, und sie beziehen aus dieser alles, was sie nutzen können, vernichten diese Zivilisation und verbreiten dann ihre Saat - und diese Saatkörner bleiben inaktiv, bis sie eine
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