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Der Messingmann

Der Messingmann

Titel: Der Messingmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Asher
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darauf, ins Blickfeld zu treten.
    Die Meeresoberfläche kam nicht näher - er wusste, dass er dafür nicht bereit war. Aber irgendeine hell leuchtende Konstruktion, die an riesiges, glasartiges Plankton erinnerte, drehte sich in elektrischen Tiefen und präsentierte sich einer weiteren Masse gleicher Art. Die Konstruktion führte sich selbst ein, verankerte sich an Ort und Stelle und nahm das gleiche Spektralpulsieren auf wie der Rest. Mr. Crane starrte auf eine seiner Messinghände hinab. Sie war vollkommen real und saß an dieser Stelle und zu dieser Zeit genau richtig. Er faltete den Daumen ein und sah, wie er auf Cheyne III Menschen zerfetzte. Das geschah auf Arian Pelters Befehl, und der Mann hatte sich einen festen Platz in Cranes Verstand verschafft und über einen militärischen Verstärker eine nahezu absolute Lenkungsgewalt ausgeübt. Wie hätte der Golem also anders handeln können? Lügen Lügen Lügen…
    Crane faltete einen Finger ein und erinnerte sich daran, wie er Polizisten und dann einen von Arians Bundesgenossen umgebracht hatte. Aber einer dieser Polizisten hatte überlebt. Aus einer unmöglichen Lage heraus hatte Mr. Crane jemanden weiterleben lassen. Das antike Fernglas, das er anstelle des Lebens genommen hatte, war später von dem gerade verschobenen Duftfläschchen abgelöst worden. Hatte er nicht so viele Menschenleben gerettet? Aber beim Abzählen der Tötungen gingen ihm rasch die Finger aus.
    Der kleine Ritter auf einem Miniatursandschwein griff den Zahn des Löwen an und verschob ihn mit der Lanze in eine neue Position. Zwei strahlende Konstruktionen vereinigten sich mit einem zufrieden stellenden Klicken zu der erfreulichen Ordnung, die sich mit einer letzte Drehung am Zauberwürfel einstellte.
    Was Crane getan hatte … Er hätte nichts anderes tun können.
    Crane hätte nichts anderes tun können.
    Als er wie ein Rachegott aus dem Meer aufstieg, war Mr. Crane wütend. Er wütete über ein Leben, das ihm versagt blieb, brüllte in Gedanken jenen Serban Klein an, zu dem er nach ihrem Willen hatte werden sollen, tobte darüber, dass es innen und außen nichts gab, was ihn gehindert hätte zu töten. Aber es gab eine Rechtfertigung. Die Leute auf dieser Insel hatten Semper diese grauenhaften Dinge angetan. Sie hatten ein menschliches Wesen Stück für Stück auseinander genommen, Schrei für Schrei, und ihn der unterseeischen Kreuzigung überlassen, damit Crane ihn fand. Oh, wie sie bezahlen würden!
    Der Mann am Strand - ein blutiger Fetzen - dahingegangen, gefolgt von weiteren. Crane wanderte langsam durch silbernes Mondlicht, und die Augenwinkel glitzerten wie Perlmuscheln. Aiston hielt sich im Mittelpunkt der Insel auf, und Crane hatte die Anweisung erhalten, ihn aufzusuchen, ihn umzubringen, aber auch jeden anderen zu töten, der ihm in die Quere kam. Niemand hatte gesagt, auf welchem Weg er zu Aiston gehen sollte. Niemand hatte gesagt, dass er den direkten Weg nehmen sollte. Crane folgte einer spiralförmigen Bahn, tötete unterwegs jeden und ließ eine Kunst der Hölle hinter sich zurück, bis er schließlich die vollendete Poesie darin entdeckte, Aistons Vermögen zu einem wirklichen Bestandteil des Mannes zu machen.
    Wir hatten keine Wahl.
    Du hättest dich völlig abschalten, jede Chance auf Rückgewinnung der Intelligenz aufgeben können, hättest kein so gutes Werkzeug für diese Leute sein müssen. Du hast das eigene Überleben über das vieler, vieler anderer gestellt. Sind wir ungewöhnlich ?
    Nichts verhinderte mehr die Ganzwerdung; nur Wille und Wahl bestanden. Mr. Crane konnte in diesem Augenblick ganz werden oder angesichts des Grauens der ihn überspülenden Erinnerungen einschlafen, zu sein aufhören. Wahl: Die Maschine war vorhanden, musste aber
    erst noch hochgefahren werden. Innerlich verfolgte er, wie ein großer Messingmann mit einem breitkrempigen Hut den letzten Stromunterbrecher überwand. Dieses Bild, sein Ego, grüßte ihn kurz militärisch, ehe es von der Maschine aufgesaugt wurde. Von diesem Augenblick an war Crane ein Ganzes und völlig er selbst.
    »Ah«, sagte Vulture und wich ein Stück weit zurück. »Ich sehe, dass du bei uns bist, aber ich frage mich, was da bei uns ist.«
    Mr. Crane sammelte seine Spielsachen ein und steckte sie in die Taschen zurück. Der Kampf in der Nähe war vorüber, und auch hier war der Kampf vorüber. Er stockte; er brauchte diese Spielsachen nicht. Aber andererseits hieß das nicht, dass er sie nicht behalten konnte.

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