Der Messingmann
durchschlug, ohne dass ihn die Reaktion rückwärts schleuderte. Innerhalb einer Minute hatte er ein ausreichend großes Loch in die Tür gerissen, um hindurchzusteigen.
Der Raum dahinter enthielt Konsole, Holojektor, Kamera und optische Leitungen, die auf die Außenflanke der Schale führten. Nichts schien hier beschädigt, aber Cento hatte keine Vorstellung davon, in welchem Zustand der Außenemitter wohl war. Er senkte die Hand und riss sich die restlichen Fetzen des Wärmeanzugs vom Leib sowie anschließend die ähnlich beschädigte Synthohaut. Er tastete in den eigenen Eingeweiden herum, fand ein abgeschirmtes Stromkabel, folgte diesem in die Brust und zog es dort aus dem Stecker. Sehvermögen und Beweglichkeit ließen nach, aber nicht so, dass er das Kabel nicht mehr in den Universaladapter unterhalb der Konsole hätte stecken können. Sofort leuchteten die Displays der Anlage auf.
. Mit bedächtiger Präzision gab er die Tastsequenz für eine Systemdiagnose ein und fand bald heraus, dass der Subraumtransmitter in allerbestem Zustand war. Er tippte die gewünschte Nachricht und die alles entscheidenden Koordinaten ein. Jetzt war es an der Zeit zu senden - und zu schlafen. Er erteilte die Instruktion, so lange zu senden, bis eine Empfangsbestätigung eintraf. Dann fand er gerade noch die Zeit, fest den Handgriff neben der Konsole zu packen, ehe ihm das künstliche Bewusstsein schwand - da der Transmitter den Löwenanteil seiner körpereigenen Stromerzeugung verbrauchte.
Die Quarantänekapsel, in der Mika gesteckt hatte, war zusammen mit all der dazugehörigen Ausrüstung in einem der Fusionsöfen der Jerusalem vernichtet worden. Anschließend wurde die Umgebung bis auf molekulares Niveau erkundet und auf »Kontaminierungsstufe 5« eingeordnet. Mika wusste schon, dass nichts mehr als sauber klassifiziert werden konnte, was jemals mit Dschainatechnik in Berührung gekommen war. Sie saß jetzt an einem Arbeitsplatz, wo sie ersatzweise das Myzelium in der Brückenkapsel studierte, die von der KI auf kaum über dem absoluten Nullpunkt gehalten wurde.
»Man findet da etwas«, sagte sie, den Blick auf dem Monitor, »das man wohl als Pikotech bezeichnen könnte. Allerdings kann man viele Aspekte nur indirekt erschließen, da uns die Instrumente für eine direkte Erforschung fehlen.«
»Das ist keineswegs unmöglich - meine eigenen atomaren Prozessoren fallen unter diese Klassifizierung«, sagte die körperlose Stimme Jerusalems.
Mika nickte und ging zum partiellen VR-Eintrittsgerüst, das ihr zentrales Forschungsinstrument war. Sie drückte sich rücklings in das Gerüst, das sich um ihre Arme und Beine schloss, die Hände in Handschuhe steckte und ihr eine Kapuze übers Gesicht zog. Der Eintritt in die virtuelle Realität war nur partiell, weil er nicht alle ihre Sinne beanspruchte, sondern nur Sehen, Hören und die Tastfähigkeit der Hände. Einen vollständigen Eintritt gedachte sie nur dann ins Auge zu fassen, falls sie jemals Dschainatechnik riechen - oder mit ihr Sex haben wollte.
In der VR fand sie sich plötzlich in einem gewaltigen Raum unter einem flachen weißen Himmel wieder. Neben ihr schwebten die bunten Würfel, Tetraeder, Kugeln und anderen euklidischen Körper ihrer zahlreichen Steuerelemente. Sie streckte die Hand nach einem Heptaeder aus und zerbrach es in einen Regenbogen aus Pyramiden. Sie packte die blaue Pyramide und sagte: »Bild.«
Sofort breitete sich die nanoskopische Perspektive, die sie zuvor auf einem Monitor angeschaut hatte, vor ihr wie ein Gebirge aus. Indem sie das Icon in ihrer Hand und dann auch eine aus der Luft ausgewählte Kugel manipulierte, transplantierte sie ein einzelnes großes Molekül und erweiterte es vor ihr ins Riesenhafte, während sie die ursprüngliche Darstellung löschte. »Allein auf molekularer Ebene erfordert dieses Projekt Tage an Verarbeitungszeit, und danach weiß ich nur, was dieses Zeug aus sich selbst heraus bewirken kann, nicht wie es mit den Milliarden anderer Moleküle in Wechselwirkung tritt, die dieses Myzelium bilden.«
»Ja, es ist, als erforschte man eine DNA.«
Mika warf einen Blick auf den silbernen, augenlosen Kopf, mit dem sich Jerusalem am liebsten darstellte. Sie fuhr fort: »Es ist noch schlimmer. Bei DNA weiß man wenigstens, dass sich ihre Funktion auf die molekulare Ebene beschränkt - es geht nicht um noch Kleineres.«
Jerusalem legte eine Pause ein, ehe sie entgegnete: »Manche würden Ihrer Meinung bezüglich der DNA
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