Der Metallschwarm
Ildiranern, sondern allen Völkern«, sagte Vao'sh. »Auch den Menschen.«
»Und jetzt wollen die Menschen auch noch Teil des Thism werden!«, entfuhr es Ko'sh. »Habt ihr ihren grünen Priester gehört?«
Anton verstand das Unbehagen des Obersten Schreibers. »Mir gefällt das nicht mehr als Ihnen. Kolker hat angeboten, mein Bewusstsein seinen >Offenbarungen< zu öffnen, aber ich bleibe lieber ich selbst. Machen Sie mir keine Vorwürfe - ich bin nicht in Ihr Thism eingedrungen.«
Anton war immer ein Einzelgänger gewesen und hatte es vorgezogen, allein zu sein, damit er die großen Epen lesen konnte. Er schauderte bei der Vorstellung, dass seine Gedanken für andere völlig offen waren und das eigene Selbst mit vielen anderen Personen in Verbindung stand, obendrein noch mit dem Thism der Ildiraner. Was Kolker und die anderen als wundervolle Zusammengehörigkeit beschrieben, klang für Anton nach einer schrecklichen Verletzung der Privatsphäre. Manche Ildiraner hielten die konvertierten Menschen für Eindringlinge und sogar eine Gefahr.
Und jetzt bewirkten Vao'sh und er mit ihrer Veränderung der Saga eine noch größere Erschütterung der ildiranischen Gesellschaft - sie rüttelten an den Fundamenten der Geschichte. Zwar hatten sie den Segen des Weisen Imperators, aber einige Ildiraner hielten Vao'sh und ihn vermutlich für Häretiker. Erneut dachte er an jene alten Astronomen, die man auf dem Scheiterhaufen verbrannt hatte.
Der alte Erinnerer legte Ko'sh die Hand auf die Schulter, eine bei den Ildiranern eigentlich unübliche Geste, die er Anton abgeschaut hatte. »Sie werden sich mit der neuen Geschichte beschäftigen, Ko'sh. Ganz gleich, wie genau Sie sich die alte eingeprägt und wie oft Sie sie erzählt haben: Teile von ihr waren falsch. Vielleicht sind selbst die Berichte über die Shana Rei erfunden.«
Ko'sh schüttelte den Kopf. Er wies die Worte seines Kollegen nicht zurück, verabscheute es aber, sie akzeptieren zu müssen. »Wenn sich die Wahrheit einmal ändert... Wer kann uns dann garantieren, dass sie sich nicht immer wieder ändert?«
62 PATRICK FITZPATRICK III.
Patrick hatte nie zuvor etwas gesehen, das so kompliziert und auch so spektakulär war wie eine Himmelsmine der Roamer. Die Industrieanlage erschien ihm wie ein gewaltiger Ozeandampfer in der Atmosphäre des Gasriesen, unabhängig und fast autark. Sie pflügte durch Golgens Wolken, nahm enorme Mengen Wasserstoff auf, verarbeitete ihn in den Ekti-Reaktoren und zog einen dicken Schweif aus Abgasen hinter sich er. Der Himmel war weit, und Patrick fühlte sich recht einsam.
Während der vergangenen Tage hatte sich Zhett geweigert, mit ihm zu reden. Kein Wort von ihr. Er wusste, wie heißblütig sie war, aber er hatte nicht damit gerechnet, überhaupt keien Kontakt mit ihr zu haben. Zhett hatte ihn damit auf eine Weise entwaffnet, auf die seine Großmutter stolz gewesen rare. Warum schrie sie ihn nicht wenigstens an?
Er hatte überall nach ihr gesucht, vom Kontrollraum über den Speisesaal bis zu den Verladestationen. Die Roamer wussten, wer er war. Sie warfen ihn nicht von der Himmelsmine (weder im wörtlichen noch im übertragenen Sinn), aber sie zeigten ihm eindeutig die kalte Schulter. Niemand schien zu wissen, wo sich Zhett aufhielt. Sie ging ihm ganz offensichtlich aus dem Weg, aber Patrick gab nicht auf, setzte die Suche nach ihr fort.
Er hinterließ eine Nachricht für sie. Als das ohne Reaktion blieb, beschloss er, ihr Blumen zu bringen. An Bord einer Himmelsmine konnte man sich natürlich nicht einfach so Blumen beschaffen, und deshalb verbrachte er mehrere Stunden an Bord seines Schiffes, malte einen bunten Blumenstrauß und hoffte, dass guter Wille den Mangel an Talent ausglich. Er klebte das Bild an die Tür ihres Quartiers. Als er das nächste Mal vorbeikam, war das Bild weg, aber Zhetts Funkstille dauerte an.
Patrick fühlte sich hilflos, als er weite Streifzüge durch die Himmelsmine unternahm und hoffte, ihr dabei über den Weg zu laufen. Er stand auf offenen Balkondecks und beobachtete das langsame Brodeln der Wolken. Hydroger hatten einst in diesen Tiefen gewohnt. Patrick schauderte, schloss die Hände ums Geländer und kämpfte gegen Schwindel an, als er sich daran erinnerte, wie feindliche Kugelschiffe seinen Manta zerstört hatten...
Er wandte sich vom offenen Himmel ab und brachte ein Deck nach dem anderen hinter sich. Männer und Frauen mit Düsentornistern und Antigravgürteln schwebten neben dem gewölbten
Weitere Kostenlose Bücher