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Der Metzger bricht das Eis

Der Metzger bricht das Eis

Titel: Der Metzger bricht das Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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Unverkennbar ragt eine gelbe Schirmkappe über dem Lenkrad empor, und dem Metzger schwant Übles.
    »Hat da wer ein bisschen zu lange Pause gemacht!« Aggressiv ist der Ton seiner Halbschwester. »Diesmal seh ich den gelben Einser nicht, da kannst du Gift drauf nehmen!«
    »Yoga, Qigong, Tai Chi!«, erklärt Danjela Djurkovic, »is gut für Nerven!«
    »Karate, Kungfu, Taekwondo!«, kontert Sophie Widhalm, »ist gut gegen Geistesgestörte!«
    Dezent reduziert sie solange das ohnedies schon gemächliche Tempo, bis der Honda Civic zum Überholmanöver ansetzt und auf Augenhöhe auftaucht. Dann wird beschleunigt, was ihr in Anbetracht des auf der Gegenspur herannahenden Lkws besonders viel Freude zu bereiten scheint.
    Panisch ist der Blick im Fahrzeug nebenan. Diesmal dient nicht der Mittelfinger als Kommunikationsmittel, sondern die geballte Faust. Sophie Widhalm allerdings denkt gar nicht daran, die Geste auch nur eines Blickes zu würdigen, sondern schließt mit einer Seelenruhe auf ihren Vordermann auf. Und weil sowohl ihr neuer Hintermann als auch der Hintermann dieses Hintermannes und, wie es aussieht, noch eine Reihe anderer der vom Honda Civic zuvor Überholten diese Vorstellung als gelungen betrachten, wird jede sich auftuende Lücke tunlichst vermieden. Mit beinah synchron einsetzenden Hupgeräuschen versuchen zwei aufeinander zusteuernde Alphatiere das Unvermeidliche zu verleugnen. Dann schaltet sich doch die Vernunft ein, und sowohl der Honda Civic als auch der Lkw kommen zum Stillstand.
    Leise kichert Sophie Widhalm in sich hinein, überraschend bösartig hört es sich an: »Ich würd sagen, da kann sich dann wer ganz hinten einreihen!«
    Willibald Adrian Metzger hat die Gesichtsfarbe verloren und ergänzt: »Zeig mir, wie du Auto fährst, und ich sage dir, wer du bist! Heimwärts geht es mit dem Zug, hundertprozentig!«
    Sophie lacht erneut, aber auch ihr wird es noch vergehen.

19
    »Genauso stell ich mir das vor!«, beendet Sophie Widhalm das bedrückende Schweigen, und ihre Augen strahlen. Die weiteren inmitten der Kolonne absolvierten Höhenmeter haben den Begriff Schneefallgrenze für den Metzger in ein völlig neues Licht gerückt, denn seine bisherige Annahme, es handle sich dabei um eine waagrechte Koordinate, wurde gekippt – um 90 Grad. Senkrecht verläuft sie also, diese Trennungslinie zwischen Grün und Weiß, von Berg zu Tal. Das, was sich vorhin aus weiter Ferne nämlich noch als bewegter Nebel dargestellt hat, entpuppt sich nun als in den Himmel geschossenes Schneetreiben. Und geschossen wird aus allen Kanonen, in diesem Fall aus Schneekanonen und Schneelanzen, wie Sophie begeistert feststellt.
    »Klingt aber beides nix nach Skizirkus, sondern eher nach Rüstungsindustrie!«, analysiert Danjela erstaunt, und gänzlich falsch soll sie damit nicht liegen.
    Je mehr sich der Scheitelpunkt der Passstraße nähert, desto sichtbarer bricht tatsächlich so etwas wie Winter aus. Die Bäume sind schneebedeckt, aus den Mündern und Nasen der Fußgänger dampft es auch ohne künstliche Hilfe, und auf dem Laufsteg der Eitelkeiten regieren Ski-jacke, -hose, -schuhe, -handschuhe, -brille, -haube oder -helm. Im Schritttempo geht es durch mehrere Kreisverkehre, die Verkehrs-Organisations-Zonen werden ihrem Namen gerecht, und die Autos verabschieden sich der Reihe nach auf die Parkplätze der drei vorhandenen Gondelbahnen.
    »Rechts! Müssen wir rechts!«, bemerkt eine aufmerksame Beifahrerin.
    »Sagt wer?«, erwidert die Steuerfrau, ignoriert das deutlich unter der Zielangabe einer Gondelbahn angebrachte Hinweisschild mit der Aufschrift »Gasthof Kalcherwirt« und folgt gehorsam der männlichen Stimme des Navigationsgerätes. Richtig beseelt wirkt ihr Blick, überraschend ruhig ist ihr Gemüt. Es geht an Unmengen von Hotels vorbei, und wäre da vor Kurzem kein Ortsschild gewesen, die Ansammlung der die Hauptstraße säumenden Gebäude wäre nicht als Ort erkennbar. Dann verlieren sich die Häuser, erneut taucht ein Ortsschild auf, diesmal mit rotem Diagonalbalken, ein wenig Nervosität macht sich im Fahrzeuginnenraum breit, schließlich kommt die rettende Aufforderung: »Biegen Sie rechts ab.«
    Die Steigung erfordert einige Schaltmanöver, deutlich enger wird die sich den Berg hinaufschlängelnde Straße, rumpeliger die Fahrbahn, Bauernhöfe ziehen vorbei, verschneite Zäune säumen den Weg, es geht durch ein dichtes Waldstück, dann laufen sie plötzlich ganz ruhig, die Reifen, und knirschen im

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