Der Metzger bricht das Eis
Schrothe tot in einer Busstation gefunden und suchen mögliche Angehörige.«
»Tut mir leid, da kann ich Ihnen nicht helfen!«
»Dann vielen Dank«, beendet der Metzger das Gespräch.
»Und wie die Karl Schrothe kennt!«, spricht Sophie Widhalm aus, was jeder denkt.
»Also, wann geht’s los, meine Damen?«, meldet sich Trixi zu Wort, nur um die Antwort gleich selbst vorwegzunehmen: »Sagen wir in fünf, sechs Jahren. Dann meld ich Lilli zu einem Zwergerlskikurs an, und wir, wir schmeißen uns auf die Piste! Aber ihr könnt ja fahren.«
»Was immer du auch verstehst unter ›Piste‹!«, fügt Danjela Djurkovic hinzu, sorgt damit kurzfristig für Unterhaltung, zumindest bei einer der beiden Damen, die andere ist unterhaltungstechnisch nämlich bereits anderwärtig im Einsatz: »Ja, hallo, hier Widhalm, eine verwegene Frage: Sag, haben Sie zufällig kommendes oder nächstes Wochenende ein Doppelzimmer und ein Einzelzimmer frei? Ja, genau, drei Erwachsene, ein Hund.«
Und vorbei ist es mit der guten Stimmung:
»Sophie, um Gottes willen!«, zischt ihr Willibald Adrian Metzger entgegen.
»Ja? Das ist ja phantastisch! Zwischensaison, genau, haben wir also Glück. Fein, ich meld mich gleich noch mal, vielen Dank!«
»Sag, bist du verrückt!«, verschärft sich nun endgültig der Ton unter den beiden Halbgeschwistern.
»Bruderherz, ich kann Urlaub buchen, wo und wann ich will. Also mein Einzelzimmer ist fix! Ein paar Plätze hätt ich in meinem Wagen aber noch frei!«
»Genau, machen wir Ausflug, hab ich sowieso Urlaub!«, und jetzt glänzen sie, Danjelas Augen.
»Krankenstand heißt das, du darfst offiziell also gar nicht weg!«, wehrt sich der Metzger noch tapfer. »Abgesehen davon wärst du garantiert der erste Mensch auf diesem Planeten, der mit einem frischen Oberarmgips nicht aus dem Skiurlaub kommt, sondern in denselben fährt.«
»Machst du jetzt keine Revolution, sind wir in demokratische Überzahl! Ist tausend Mal besser fährst du drei Tage weg wegen diese Geschichte, als sitzt du zu Hause und denkst du wochenlang an nix anderes. Außerdem tut gut ein bissi Erholung.« Selbst die Demokratie muss gelegentlich als Faschingskostümierung einer Diktatur herhalten.
»Erholung! Eine verwaiste Erbschaft, ein unerzogener Hund, eine sture Teileingeschränkte und eine Halbschwester, die in Vorfreude auf den Skilehrer Fritzi schon vollkommen enthemmt ist. Genauso stell ich mir Erholung vor.«
»Also Sophie: Fixierst du!«, hat Danjela das letzte Wort.
Dann vollführt die Nacht ihren Verwandlungsakt und tut, was sie am besten kann: die Dinge sich setzen lassen.
17
Heute war wieder ein Hubschraubereinsatz.
Irgendwo am Bürgljoch. Opa wollte beim Abendessen davon erzählen, aber keiner hat Lust gehabt auf so eine Geschichte. Urgroßvater hat einfach gesagt: »Da ist zu viel Zimt drinnen!«, und jeder hat sich ausgekannt. Opa wusste, dass er den Mund halten soll, und Oma, dass ihr der Scheiterhaufen schon einmal besser gelungen ist. Ich versteh überhaupt nicht, warum sie uns zum Abendessen so einen Mischmasch aus Semmeln, Milch, Eiern, Äpfeln, Zimt, Zucker, Rosinen und Mandeln hinstellt, wenn sie doch genau weiß, dass jeder von uns ein Butterbrot mit Radieschen und eine würzige Hartwurst mit Bergkäse viel lieber zum Abendessen hätte.
Wir sind eben keine Süßen, bis auf die Ada natürlich. Die kann einen anlachen mit ihren hunderttausend Sommersprossen im Gesicht, und keiner sagt mehr zu irgendwas Nein, so süß ist die. Früher war ich ziemlich neidig auf meine kleine Schwester. Das ist auch wirklich nicht lustig, wenn jeder sagt: »Mein Gott, ist die entzückend!«, und keiner meint dich damit. Heute weiß ich, dass jeder aus der Phase, wo er entzückend aussieht, auch wieder herauswächst, und ich denke mir: Das ist schon brutal, wenn dir eines Tages auffällt, dass dich plötzlich keiner mehr entzückend findet, und du weißt nicht, warum. Ja, manchmal tut mir Ada ein wenig leid, wenn sie herumgereicht und getätschelt wird wie ein Stofftier, auch weil ich ihr genau anseh, wie sehr sie das hasst.
Nur Urgroßvater redet mit ihr nicht wie mit einem Kleinkind, er macht da keinen Unterschied. Ihm ist es völlig egal, ob Oma, Opa, Ada oder ich vor ihm stehen.
Vielleicht ist Ada deshalb die Einzige in der Familie, die auch umgekehrt mit Urgroßvater nicht wie mit einem Kleinkind spricht, sondern sich in aller Ruhe mit ihm unterhalten kann. Heute hat er zum Beispiel beim Abendessen erklärt: »Gestern
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