Der Metzger bricht das Eis
Schnee.
»Jetzt hab ich den Schmarren erst letzte Woche um ein Schweinegeld upgedatet, und dann so was!«, ändert sich wieder der Ton. »So ein Mist!«
»Glaub ich, verstehen wir beide Bahnhof!«, gesteht Danjela Djurkovic ein.
»Den Mist seht ihr selber, oder? Das da drüben ist der Kalcherwirt, und das dazwischen nennt man Skipiste! Wir haben die falsche Abfahrt erwischt!«
»›Wir‹ stimmt nicht, mit dem Rest hast du recht! Laut dem schwarzen, runden Schild da vor unserer Nase heißt die Abfahrt 4B und führt ins Tal!«, kann sich der Metzger jetzt nicht verkneifen. »Wir drehen am besten um und nehmen die richtige Abzweigung!«
»Umdrehen! Bruderherz, du bist lustig. Wie denn?«
»Na, schiebst du einfach zurück«, schlägt Danjela Djurkovic vor.
»Einfach! Zwei Spaßvögel also.«
Die Stimmung ist angespannt, in drei Hirnen rumort es, dann wird gehandelt.
»Bist du wahnsinnig!«, streckt sich der Metzger nun zwischen den beiden Vordersitzen durch, da hat sich die Motorhaube des Geländewagens bereits als unübersehbares Hindernis auf den an dieser Stelle zum Glück verhältnismäßig flachen Pistenbereich begeben.
»Ist ja nicht weit. Ich fahr schön langsam, wir haben einen Allrad, was soll schon passieren! Außerdem sind wir die Rechtskommenden!« Sophie Widhalm amüsiert sich erneut – einmal mehr als Einzige.
Lange dauert es nicht, dann deuten die ersten Skihandschuhe in Richtung Skihaube beziehungsweise Skihelm: »Bist du wahnsinnig!«, dröhnt es nun auch von außen durch die Scheibe.
»Ganz eurer Meinung!«, flüstert der Metzger und gleitet auf der Rückbank abwärts unter die Kante der getönten Fensterscheiben. Immerhin ist er der einzige Insasse des Wagens, der seine Identität nicht hinter einer Sonnenbrille verbirgt.
»Ist ziemlich peinlich!«, erklärt Danjela Djurkovic vom Vordersitz aus und meint entsprechend ihrer UV -geschützten Perspektive wohl weniger die Reaktion der Skifahrer auf der Piste als die Reaktion der Besucher auf der Sonnenterrasse des Gasthofs Kalcherwirt. Aufgereiht in belustigter Eintracht stehen sie hinter dem hölzernen Geländer. So eine Darbietung sieht man eben nicht alle Tage. Einige winken, als wäre ein Prominenter mit Chauffeur im Anrollen, einer davon wackelt anstatt mit der Hand hektisch mit einem Stock in der Luft herum, andere klopfen sich auf die Schenkel oder greifen in den Schnee. Dann treffen die ersten Schneebälle ihr Ziel.
»Stehen wir unter heftige Beschuss!«, erklärt die Ko-, »dann geben wir eben ein wenig Gas!«, die Pilotin.
Anstandslos gräbt der Vierradantrieb sein Reifenprofil in die Piste, verlässt ohne gröbere Probleme die eine Abfahrt und nimmt die nächste, wohl ebenso wenig für Autos gedachte zum Kalcherwirt. Kurz geht es bergab, dann durch ein holpriges, was die Spuren im Schnee betrifft noch eher jungfräuliches Flachstück, schließlich wird mit einem Rumpeln eine etwas höhere Kante genommen, der Wagen landet auf dem für ihn vorgesehenen Terrain und verschwindet zwischen zwei Schrägparkern in einer Parklücke. Befreit klingt es diesmal, das Lachen aus Sophie Widhalms sonst so sinnlichem Mund.
»Na, was sagt ihr: Mit mir erlebt man was!«, verkündet sie.
»Du meinst wohl: überlebt man was!«, stellt der Metzger fest, nur um anzuschließen: »Na, ganz vorbei ist es, glaub ich, noch nicht!«
Fuchsteufelswild ist der Blick des eben noch auf der Sonnenterrasse mit seinem Stock herumfuchtelnden und sich nun dem Wagen nähernden sehr betagten Herrn. Ihm hinterdrein kommt ein junges, etwa dreizehn Jahre altes Mädchen gelaufen.
»Alles hin, alles is hin. Anzeigen werd ich euch, da könnt ihr Gift drauf nehmen! Außerdem is der Parkplatz hier nur für Hotelgäste.« Dabei klopft er mit seinem Gehstock energisch auf den Boden.
»Also für uns: Wir haben zwei Zimmer reserviert!«, stellt Sophie Widhalm freundlich fest. »Außerdem ist doch nichts passiert, oder?« Einen Blick setzt sie nun auf, da schmilzt für gewöhnlich jedes Männerherz dahin wie eine Kugel Eis vor zu kleinem Kindermund.
»Nix passiert!«, kommt es von dieser Charmeoffensive völlig ungerührt zurück. »Alles is hin, das ganze Gemüsebeet. Meine Zuckererbsen, die Zucchini, die ganzen Paradeiser! Alles hin!« Sein Stock deutet zuerst auf die Reifenspuren im nun nicht mehr ganz so jungfräulichen Flachstück, dann wird er still und starrt ins Leere.
»Sie bauen um diese Jahreszeit im Freien erfolgreich Zuckererbsen, Zucchini und Tomaten an?
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