Der Metzger bricht das Eis
Luft aus, dann geht es ins Verderben, so läuft das normalerweise. Und geübt wird heute, an jenem Tag der Woche, auf den ein stattlicher Teil der Bevölkerung dieses Landes hinarbeitet, um in dem Wissen, am nächsten Morgen nicht zur Arbeit zu müssen, auszugehen, mit Freunden etwas zu unternehmen, mit der Familie beisammenzusitzen oder mit Freunden etwas zu unternehmen, um nicht mit der Familie beisammensitzen zu müssen. Ein Feiertag also, auch für ihn. Lustig ist das.
Frau hat er keine, Kinder hat er keine, zumindest weiß er nichts davon, richtige Freunde auch nicht, die Bars und Diskotheken dieser Gegend hat er längst satt, diejenigen, die sie frequentieren, auch. Er weiß trotzdem etwas mit sich anzufangen, etwas maximal Unterhaltsames und zugleich höchst Sinnvolles: Puff, Übung macht schließlich den Meister. Folglich steht bei ihm Samstagnacht nur eines auf dem Programm: Trainieren.
So hält sich sein Ablauf also für gewöhnlich an folgenden Plan: Bis 23 Uhr werden irgendwo drei kleine Bier konsumiert, danach wird in den Wagen gestiegen, mit Adleraugen ein bisschen in der Gegend herumgefahren, bis er die geeignete Serpentine findet, und davon gibt es hier ja in Hülle und Fülle. Es muss jedes Mal eine neue Stelle sein, weit genug von der vorhergehenden entfernt. Sollen ja auch schön die Einsatzkräfte eines anderen Dienstkreises in das Vergnügen kommen. Mindestens fünf Mal woanders, dann darf er wieder sozusagen vor der eigenen Haustür. Das kostet zwar Kilometer, bringt aber Sicherheit.
Der motorisierte Untersatz wird uneinsichtig in einer Forststraße geparkt, die warme Kleidung übergestülpt, ein wenig durch den Schnee gestapft, ein übersichtliches Plätzchen bezogen und gewartet. Er widmet sich nicht jedem Fahrzeug, je kleiner, desto unruhiger, spuruntreuer, dankbarer. Die Insassen sind am besten gleichgeschlechtlich, noch besser Männer zwischen 18 und 28. Diesbezüglich hat er ab 24 Uhr auf den Straßen dieser Gegend eine Auswahl wie ein Fischhändler in einem Zuchtbecken. Mobile Burschenschaften treiben sich da in einer Häufigkeit durch die Nacht, als ginge es fix an jedem Freitag zum Jahrgangs-Kameradentreffen. Lange anvisieren, so lautet die Devise, warten, warten, warten, bumm, dezent ist das Krachen, dank Schalldämpfer, und puff, draußen ist die Luft, ein Reifen reicht. Der getroffene Wagen kommt ins Schlenkern, was in einer Kurve nicht von langer Dauer ist, dann wird der Radius ausgereizt und es geht abwärts, ohne tödlichen Ausgang. Eng muss sie sein, die Kehre, damit das Tempo schön herausgenommen ist, nicht wirklich gefährlich steil bergab darf es gehen, mit ausreichend Auslauf, kein Baum, Mast oder zugefrorenes Gewässer im Weg, soll ja schließlich keiner umgebracht werden beim Trainieren, außerdem geht es um den Erlebnisfaktor, für beide Seiten. Vor drei Wochen zum Beispiel, das war schon ganz großes Kino, diese vier Burschen.
»Scheiße, haben wir jetzt ein Glück gehabt!«, dröhnte es durch die Abendstille, »wenn wir den Reifenplatzer ein Stück weiter oben gehabt hätten, wären der Wagen und wir jetzt hin!«
Zufrieden nahm er ein Fernglas zur Hand, beobachtete das weitere Geschehen und staunte nicht schlecht. Menschen und deren Verhalten sind eben unvorhersehbar, genau das ist der Reiz, das Vergnügen.
»Pech haben wir gehabt!«
»Wieso?«
»Weil mir die Konservenbüchse auf den Sack geht. Ich hätt mich lieber ein paarmal öfter überschlagen und einen Alten, der kapiert, dass das nix ist für einen Mann, so ein Schrottkübel. Mir reicht an Lächerlichkeit schon unsere Familienkutsche, ein Fiat Multipla. Zum Kotzen!«
»Na, dann verpassen wir ihm noch ein paar!«
Lange dauerte es nicht, und vier kräftige Burschen dreschen auf einen gebrauchten VW Lupo ein.
»Und jetzt? Wenn der Wagen so aussieht, können ja wir nicht ohne Kratzer nach Hause kommen!«
»Kein Problem!«, war die Antwort, dann sprachen die Fäuste. Und einen Spaß dürften sie dabei gehabt haben, die vier Haudegen, dagegen sind Bud Spencer und Terence Hill die reinsten Missionare. Ihr helles Gelächter klingt ihm heute noch in den Ohren.
Ewig schad wäre es gewesen um diese Jungs. Wie gesagt, wenn es ums Töten geht, sucht er sich andere Kurven.
Heute aber ist alles ein wenig anders. Kurven gibt es zwar genug, nur mit dem Reifenplatzer wird das nicht so einfach bei einer Rodel. Für Spaß ist trotzdem gesorgt. Warm eingepackt liegt er am Rand der Schindlgruben und wartet.
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Es ist
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