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Der Metzger bricht das Eis

Der Metzger bricht das Eis

Titel: Der Metzger bricht das Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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Metzger, jetzt ist es vorbei mit der Gemütlichkeit, jetzt kommt jedes Kilo zur Geltung. Entsprechend rasch nimmt der Schlitten Fahrt auf, wie ein eingespieltes Team strecken die beiden je nach Erfordernis beinah synchron das richtige Bein in den Schnee, nehmen gekonnt jede Kurve. Je länger die Fahrt dauert, desto sicherer wird sich der Metzger zwar in Hinblick auf die Gerätebeherrschung, desto unsicherer wird er sich allerdings in Hinblick auf die Strecke.
    »Sind wir richtig?«, brüllt er nach hinten.
    »Na, quer durch Wald wird nix gehen!«, ist die Antwort.
    Trotzdem fehlt von Sophie und Toni jede Spur, auch die Motorengeräusche haben sich mittlerweile auf ein entferntes leises Summen reduziert.
    Kurz wird das Gefälle schwächer, die Strecke geradliniger, der Schlitten langsamer, die Forststraße enger, der Wald dichter, dann sind sie weg.
    »Stopp!«, gibt der Metzger nun das Kommando.
    In der Ferne leuchten die Lichter des Kalcherwirts, direkt vor ihnen glitzert die frisch präparierte Schindlgruben.
    »Danjela, wir sind jetzt auf der Piste. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die beiden einfach die ganze Strecke durchfahren, ohne ein einziges Mal auf uns zu warten. Und schneller als die Motorschlitten können sie auch nicht sein!«
    Die Lichter in der Ferne erhalten Zuwachs. Direkt neben dem Kalcherwirt wird durchgestartet, dann setzen sich drei Motorschlitten in Bewegung, ein Vierter sticht von der anderen Seite der Schindlgruben dazu. Diesmal hangaufwärts.

50
    »Weg hier! Wir müssen weg!«, ertönt es aus dem Dunkel.
    Im Hintergrund bremsen sich zwei Rodler ein, und dem Metzger fällt ein Stein vom Herzen.
    »Wo wart ihr?«
    »Da drinnen. Schnell!«
    Toni Schuster und Sophie Widhalm stehen längst auf ihren Beinen und peilen den dichten Wald an. Mühsam ist es, mit den sperrigen Holzrodeln tief ins Dickicht vorzudringen.
    »Ein Stück noch, beeilt euch!« Sophie Widhalm gibt das Tempo vor, schiebt energisch die Äste zur Seite und schließlich ihren Körper hinter einen Baum.
    »Das muss reichen, und jetzt runter!«
    Dann kauern, verborgen hinter mächtigen Tannen, vier erwachsene Menschen angsterfüllt im Schnee. Lange dauert es nicht, und die Motorschlitten biegen von der Piste ab, herein auf die Forststraße, bedächtig ist die Geschwindigkeit und verstärkt die Leuchtkraft. Denn zusätzlich zu den beiden Scheinwerfern erhellt nun jeweils ein drittes Licht die Nacht. Suchend werfen vier Halogentaschenlampen im Wald ihre Schatten, und jedem der Anwesenden ist klar: Was hier gerade passiert, ist kein Spiel mehr.
    »Puuutt – putt putt putt putt!«, ertönt ein gehässiger Lockruf durch die Nacht: »Ja, wo sind sie denn, unsere Konservenbüchsen? Sagt, wollt ihr nicht nach Hause fahren, ganz nach Hause, anstatt hier beerdigt zu werden?« Dann knallt es dumpf, nur wenige Meter entfernt zersplittert ein Ast, die Motoren werden gedrosselt, lautlos wird verharrt, aufmerksam in den Wald hineingehorcht und wieder mit den Worten: »Ja wo sind sie denn?« für ein kleines Stück die Fahrt aufgenommen.
    Langsam bewegen sich die Motorschlitten vorbei, die Forststraße hinauf, und immer wieder dasselbe Ritual: ein Anhalten, ein Ruf, ein Schuss, ein Horchen, geduldig im Tempo, glasklar in der Absicht.
    Es dauert, und es sind bange, endlose Minuten, bis sie endlich außer Sichtweite sind.
    »Verdammt, die sind bewaffnet! Wir warten noch kurz, und wenn sie das nächste Mal starten, hauen wir ab!«, flüstert Toni Schuster den anderen zu.
    »Und wenn sie genau dann zurückkommen?«, gibt der Metzger zu bedenken. »Ich würde vorschlagen, wir warten, bis sie die Suche aufgeben und endgültig hinunterfahren.«
    »Und wenn sie gar nicht mehr hier vorbeikommen, sondern eine andere Route ins Tal nehmen oder sich aufteilen?«, wendet nun wieder Toni Schuster ein.
    »Dann hab ich lieber ein bisschen umsonst gefroren als mir den Tod geholt.«
    Einhellig wird schließlich zumindest die Kauerstellung aufgegeben und auf den Rodeln Platz genommen. Kurz erörtert Sophie, wie vorhin trotz Vorsprungs, voller Fahrt und Motorenlärm aus dem Hintergrund Danjelas Ruf: »Na, kommt ihr, Scheißkerle!« nicht zu überhören war, worauf Toni Schuster auf Anhieb Gefahr im Verzug ortete, eine Vollbremsung einleitete und per pedes zwecks Tarnung den Wald anpeilte: »Ich kann es zwar niemals beweisen«, erklärt er, »aber nach dieser Einlage jetzt bin ich mir absolut sicher, dieser komische Auftritt von Jo Neuhold, diese Typen und

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