Der Metzger bricht das Eis
derjenige, der heute Morgen Erich Axpichl hingerichtet und mich angeschossen hat, haben etwas miteinander zu tun. Vielleicht ist der Mörder ja sogar dabei. Wahrscheinlich ist durch meine Verhaftung bekannt geworden, wer ich bin.«
»Ja, aber woher haben sie gewusst, dass wir uns auf der Bürglalm aufhalten«, rätselt Sophie.
»Na, überlegst du, wer hat alles Ahnung, wem hast du alles erzählt?«, rätselt Danjela.
»Agnes Kalcher und ihre Enkelin Lisl«, entgegnet der Metzger nachdenklich.
»Und Laurenz Thuswalder natürlich, der das alles ausgemacht hat«, ergänzt Sophie Widhalm.
»Derselbe Laurenz Thuswalder, der mir vorhin auf der Piste und mit seinem silbernen Van in der Stadt vor dem Kinderspital begegnet ist …«, stellt der Metzger fest und wird von Toni Schuster unterbrochen: »So einen Van, der zumindest laut Kennzeichen in diese Gegend gehört, hab ich übrigens auch gesehen!« Es folgen die Erzählung vom Fund des toten Obdachlosen in der Busstation und ein Ausbruch des Erstaunens.
»Hab ich dich jetzt richtig verstanden«, meldet sich Sophie zu Wort. »Du hast denjenigen gefunden, wegen dem wir überhaupt hierhergereist sind: Karl Schrothe? Und jetzt hocken wir gemeinsam im Wald?«
»Das ist ja dann wohl ein Zufall der anderen Art«, ergänzt der Metzger.
»Eher Schicksal!«, weiß Toni Schuster und ergreift die Hand Sophie Widhalms.
»Wenn ich jetzt Robert Fischlmeier wäre, und es käme mir zu Ohren, dass du nicht nur zum Zeitpunkt des Todes von Erich Axpichl, sondern auch zum Zeitpunkt des Todes von Karl Schrothe zufällig ganz in der Nähe warst, ich würde dich ohne mit der Wimper zu zucken erneut verhaften!«, zeigt der Metzger unverblümt seine Skepsis.
»Ich mich auch!«, entgegnet Toni Schuster. »Und den Robert Fischlmeier gleich dazu, weil der hat auch gewusst, dass wir zur Bürglalm fahren, erinner dich, Sophie, hinter uns ist er gestanden vorm Polizeirevier!«
»Verdammt, wir haben also den Teufel im Nacken sitzen?«, spricht Sophie jedem hier aus der Seele. Als hätte sie Dämonen beschworen, rasen wenig später selbige an ihnen vorbei. Toni Schuster springt kurz danach aus dem Wald, läuft auf die Piste und blickt hinterher: »Sie fahren ins Tal, wir können los!« lautet sein Kommando. Wenig später halten zwei Holzschlitten vor den Toren des Kalcherwirts an, und der Metzger schickt seine Begleiter zwecks Ideenaustausches ins Zimmer 202. Selbst steuert er schnurstracks das danebenliegende Wohnhaus der Familie Kalcher an.
Es ist weit nach 22 Uhr, im Haus brennt noch Licht. Ein kurzes, verhaltenes Pochen reicht, und hektisch nähern sich Schritte der Eingangstür.
»Wer ist da?« Besorgt klingt sie, die Stimme Agnes Kalchers.
»Willibald Adrian Metzger. Ich wohne bei Ihnen im Hotel!«
»Ich weiß. Nur, was wollen Sie um diese Uhrzeit! Ist niemand an der Rezeption?«
Kurz zögert er, der Metzger, und doch weiß er, was zu tun ist.
»Ich will mich mit Ihnen über Ihren Sohn Horst Kalcher, besser gesagt Karl Schrothe, unterhalten.«
Es dauert, absolut still ist es hinter der Tür, dann wird geöffnet. Agnes Kalcher kommt zum Vorschein, das aufschwingende Türblatt streift beinah ihr blasses Gesicht. Kerzengerade steht sie im Vorzimmer und blickt mit eiskalter Miene an ihrem Gegenüber vorbei hinaus in die Nacht.
Wortlos dreht sie sich um, geht den Gang entlang und verschwindet in der Küche. Willibald Adrian Metzger tritt ins Haus, schließt die Tür und folgt ihr. An die Arbeitsfläche gelehnt erwartet sie ihn, nun sucht ihr Blick den seinen, tief und beängstigend, als wollte er sich unauslöschlich in seinem Inneren, in seinen schlimmsten Träumen verankern. Schwer fällt es dem Metzger, aber um den ihm wortlos entgegenschlagenden Argwohn zu durchbrechen, muss er diesem Blick standhalten, möglichst liebevoll und unaufgeregt. So stehen die beiden voreinander, starren sich an und schweigen. Geduldig ist er, der Willibald, voll Respekt vor dieser so leidgeprüften Frau, und nur allein seine Augen lässt er sprechen, denn bevor er nichts mehr unausgesprochen lässt, will er zuallererst wissen: Was hat Agnes Kalcher von sich aus zu sagen, was sind ihre ersten Worte? Es ist still. Draußen fährt ein Wagen vor.
Da geht es ihm wie einem Säugling. Vollständig gesättigt verabschiedet sich Edgar unbeirrbar ins Land der Träume. Neben dem Bett liegt also ein regungsloser Hund, im Bett liegen die beiden Damen, und am Fußende sitzt Toni Schuster. Wie idyllisch auch immer
Weitere Kostenlose Bücher