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Der Metzger bricht das Eis

Der Metzger bricht das Eis

Titel: Der Metzger bricht das Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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ein Holzschlitten, wie ihn der Metzger aus seiner Kindheit kennt. In Verbindung mit ausreichend Schnee kam es nämlich vor, dass sich sein Vater mit wahrlich Überraschendem zu Wort meldete: »Komm, Bub, jetzt werden wir ein bisserl schwitzen!« Er war eben schon in jungen Jahren als angehender Übergrößenkandidat zu erkennen, der Willibald, und wenn es ein paar Lichtblicke in der Erinnerung an seinen Vater gibt, dann diesen. Eine Glückseligkeit war da seinem alten Herrn ins Gesicht gegraben, als wäre sie unter der Schneedecke verborgen, die Wiedergutmachung für all die fehlende liebevolle Zuwendung das übrige Jahr hindurch. Wie ein Befreiter ist ihm der Fremde erschienen, der da lachend sein allein auf dem Schlitten sitzendes schwergewichtiges Kind unbeirrt durch das winterliche Weiß zog, außer natürlich es ging bergab, da hat sich der Senior immer vorne dazugesetzt.
    Passives Schlittenfahren ist für den Metzger also nichts Neues. Aktiv allerdings ist alles Bevorstehende nun eine Premiere.
    »Was, ich soll vorne sitzen?«
    »Na bin ich einarmig, brauch ich Säule zum Festhalten. Und rutscht du noch ein wenig vor, weil gibt hinten sonst große Schleifspur«, fordert Danjela Djurkovic deutlich mehr Sitzfläche ein, gefolgt von:
    »Is aber schon logisch, dass Lenken nach rechts heißt Rausstrecken von rechte und nix linke Fuß! Und wenn hast du gelenkt, hebst du beide Füße hoch, weil sonst muss ich anschieben sogar, wenn geht bergab! Und kannst du dann ruhig ein bissi legen Oberkörper zurück auf mich, bin ich nix zerbrechlich. Außerdem geht schneller!«, was dem hoch konzentrierten Metzger schließlich die Bemerkung abringt:
    »Und kannst du dann ruhig ein bissi Respekt vor der Nachtruhe der Tiere des Waldes zeigen!«
    »Gut, bin ich still, aber nur wenn geht ab morgen gelbgrüne Pelzmütze über in Besitz von optisch rechtmäßige Eigentümerin! So, und jetzt gibst du Gas, weil sonst kommen wir an bei Kalcherwirt gerade rechtzeitig zu Frühstück!«
    Sophie Widhalm und Toni Schuster sind zwar bereits außer Sicht-, allerdings noch nicht außer Hörweite, denn deutlich zu vernehmen ist er, der gelegentlich ausgestoßene vergnügte Juchzer. Ansonsten ist die hin und wieder von einer Laterne erhellte Rodelstrecke menschenleer. Die Nacht ist einmal mehr sternenklar, und ruhig ist es, fast märchenhaft schön. Geschmeidig gleiten die Kufen durch den Schnee, ab und zu kratzt der Schlitten über eisige Stellen oder kleine Steine, ansonsten aber geht es recht beschaulich dahin.
    Lange dauert es allerdings nicht, und für die Tiere des Waldes ist es vorbei mit dem Schlummer. Aus dem Hintergrund durchschneiden hochtourige Motorengeräusche die Nacht und kommen, dem Geräusch nach zu urteilen, mit erheblicher Geschwindigkeit näher. Dann tauchen die Lichter wie funkelnde Augen hungriger Raubtiere in der Dunkelheit auf. Immer heller und größer wird das auf den Weg geworfene Spiel mehrerer Lichtkegel, immer lauter wird der Motorenlärm, immer langsamer der Holzschlitten.
    »Ich fahr mal zur Sicherheit rechts ran!«, meint er noch, da verkündet die zurückblickende Danjela: »Glaub ich, ist rechts ran zu wenig!« Dann stemmen sich vier Absätze in den Schnee.
    »Runter!«, brüllt Willibald Adrian Metzger, springt von dem gestoppten Untersatz, packt seine Danjela unter der Achsel und zieht sie energisch vom Rand des Forstweges hinein in die erste Baumreihe des Waldes. Haarscharf, mit einem Höllentempo rast der erste Motorschlitten, gefolgt von zwei weiteren, an ihnen vorbei, nur um kurz danach zu bremsen und umzukehren.
    »Vollidiot!«, entfährt es der Djurkovic, »Mist!«, flucht der Metzger, denn für derartige Situationen fehlt es ihm in puncto Wehrhaftigkeit eindeutig an abrufbarem Handlungsrepertoire. Jetzt stehen sie da, die beiden, hinter sich den unwegsamen, tief verschneiten Wald, vor sich die Augen bedrohlicher Bestien. Direkt leuchten ihnen die Scheinwerfer ins Gesicht, nur wenige Meter entfernt sind die drei Motorschlitten stehen geblieben, mehrmals wird Gas gegeben, ein teuflisches Lachen dröhnt unter den verdunkelten Helmen hervor.
    »Na, kommt ihr, Scheißkerle!«, brüllt Danjela Djurkovic in die Nacht und erweist sich damit für den erstarrten Willibald Adrian Metzger völlig überraschend als wahre Lehrmeisterin. Denn erneut wird Gas gegeben, diesmal jedoch, um hangabwärts weiterzufahren.
    Danjela Djurkovic reagiert als Erste: »Müssen wir hinterher!«
    Und ja, jetzt lässt er es laufen, der

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